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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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König Garadul. Offensichtlich hatte der Mann nicht nur seine Leibwache ausgeschickt, um das Tor anzugreifen; er war mit ihr gekommen.
    Gavin und Garadul standen einander gegenüber, in einer Entfernung von vierzig Schritten. Gavin konnte allein in der Haltung des großen Mannes Ehrfurcht und Unsicherheit lesen.
    Dann gab Gavins Körper auf. Er brach zusammen. Da war etwas Weißes in dem Schmutz in der Nähe seines Gesichts, oder er wurde blind. Punkte schwammen in allen Farben vor seinen Augen.
    Männer hoben ihn hoch, trugen ihn fort, und er hörte die fernen Geräusche der wiederauflebenden Schlacht. Während die Schwarzgardisten ihn hochhoben, ihn mit ihren Leibern umringten und vom Feld trugen, sah er König Garadul durch das offene Tor, sah ihn auf das Tor zuschreiten – allein. Was immer Gavin sonst getan hatte – auf jeden Fall hatte er die Barrikade und jedes andere Hindernis in diesem Bereich zerstört. Einige Männer schlossen sich ihrem König an. Der Schmutz rund um Rask explodierte in kleinen Wolken, als Scharfschützen ihn zu töten versuchten, aber niemand traf. Es war, als sei der Mann verzaubert, gesegnet, geschützt durch irgendeinen alten Gott, der mächtiger war als Orholam.
    Dann sah Gavin Zitterfausts blutverschmiertes, mit Schießpulver beflecktes Gesicht. »Vergebt mir, Lord Prisma«, sagte der Schwarzgardist. »Ihr habt alles getan, was Ihr konntet. Mehr. Jetzt …« Dann verlor Gavin das Bewusstsein.

74
    Als die Nacht hereinbrach, wurde es auf der Ebene nicht dunkel. Zuerst hatte Liv keine Ahnung, warum. Sie war den ganzen Tag gelaufen, hatte sich hinter dem Wagen gehalten, mit einem alten Petasos auf dem Kopf, dessen Krempe so tief saß, dass ihre Wandleraugen nicht weiter auffielen. Sie hatte zuvor das Dröhnen von Waffen gehört, aber angenommen, dass es sich nur um ein Probeschießen oder eine Vorführung gehandelt hatte. Auf keinen Fall konnte die Armee Garriston schon erreicht haben. Zusammen mit der gefühlten Hälfte des gesamten Lagers ging sie nach vorn, um zu sehen, was so hell war.
    Die Ebene war von derart vielen Menschen bedeckt, dass Liv die Zeichen der Schlacht, die erst vor Stunden ein Ende gefunden hatte, beinahe übersehen hätte, so offensichtlich sie auch waren. Von Kanonenkugeln gegrabene Furchen sahen fast so aus wie die Spuren, die die Wagen hinterlassen hatten. Schlammige, blutige Bereiche neben diesen Kanonennarben, mit verstreuten Bruchstücken von Rüstungen, waren lediglich Stellen, an denen man bei dem schwachen Licht aufpassen musste, wo man hintrat. Der durchdringende Geruch von Schießpulver zerstreute sich bereits.
    Die letzten Soldaten marschierten in eben diesem Moment durch das Tor und zwangen den Tross zu warten, bis sie hinter dem Tor ihr Lager aufgeschlagen hatten. Liv hörte wilde Gerüchte über gewaltige, magische Brände, eine epische Schlacht, aber sie war skeptisch. König Garaduls Armee hatte die Mauer binnen eines Nachmittags eingenommen. Es konnte kein großer Kampf gewesen sein. Ihr Vater war ein hervorragender General. Er hatte in seinem Leben nur eine einzige Schlacht verloren, und die auch nur knapp. Er musste zu dem Schluss gekommen sein, dass sie die Mauer nicht rechtzeitig fertig bekommen würden, und sich zu den Stadtmauern zurückgezogen haben. Er hatte wahrscheinlich nur einige Kanoniere zurückgelassen, um König Garaduls Männern leichten Schaden zuzufügen.
    Bei diesem Gedanken fühlte Liv sich besser. Wenn ihr Vater beschlossen hatte, an anderer Stelle Widerstand zu leisten, dann war er heute gewiss nicht in Gefahr gewesen. Die Vorstellung, dass er weniger als eine Wegstrecke entfernt vielleicht gekämpft hatte und gestorben war und dass sie nicht mehr gehabt hatte als eine übelkeiterregende Intuition, war zu schrecklich, um darüber nachzusinnen. Sie war so mit ihrer Suche nach Kip beschäftigt gewesen, dass sie nicht einmal gemerkt hatte, wie nahe sie der Stadt waren.
    Aber alle Gedanken, Sorgen und Ablenkungen verblassten, als sie sich durch die Menschenmenge zwängte, die zu der Mauer hinüberschaute. Niemand näherte sich ihr weiter als bis auf fünfzig Schritt. Als Liv sich endlich nach vorn durchgekämpft hatte, sah sie, warum. Eine riesige Spinne, größer als ein Mann, hatte ein Dutzend Leichen aufgeknüpft – nein, keine Leichen, mindestens eins der von dem Netz umhüllten Bündel kämpfte noch. Vor Livs Augen riss der Mann den Kopf frei, während seine Hände fest an seine Brust gefesselt waren. Kopfüber

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