Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
Vom Netzwerk:
aus wie eine Leiter, dann war es wie der Blasebalg einer Schmiede, dann Ruderblätter, dann etwas wie ein laufendes Band. Gavin schuftete in jeder dieser Vorrichtungen, bis er erschöpft war, seine Muskeln zitterten und Schweiß sein dünnes Hemd bedeckte. Dann wandelte er ein wenig, der Antrieb nahm eine neue Gestalt an, die seinen ermatteten Muskeln Ruhe schenkte, weil er die Arbeit anderer Muskeln erforderte, und er machte weiter.
    Als Kip endlich seine Stimme wiederfand, fragte er: »Herr, ähm, er hat meine Schatulle genommen?« Er würde nicht nach Karris Weißeiche fragen oder danach, was Gavin gesagt hatte. Nicht jetzt. Niemals.
    Gavin schaute mit zusammengepressten Lippen zu Kip hinüber. Sofort bereute Kip, gesprochen zu haben. »Es war entweder das oder dein Leben.«
    Kip hielt inne, dann sagte er: »Danke, Herr. Dass Ihr mich gerettet habt.« Das schien eine bessere Wahl zu sein, als zu sagen: Aber sie hat mir gehört! Es war das Letzte – das Einzige –, was meine Mutter mir je geschenkt hat!
    »Gern geschehen«, erwiderte Gavin. Er schaute zurück den Fluss hinauf; seine Gedanken waren offensichtlich anderswo.
    »Dieser Mann, er ist verantwortlich für den Tod meiner Mutter, nicht wahr?«, fragte Kip.
    »Ja.«
    »Ich dachte, Ihr würdet ihn an Ort und Stelle töten. Aber Ihr habt es nicht getan.«
    Gavin sah ihn abschätzend an. Seine Stimme war distanziert. »Ich war nicht bereit, Unschuldige sterben zu lassen, nur damit ich den Schuldigen töten konnte.«
    »Diese Männer waren nicht unschuldig! Sie haben jeden ermordet, den ich kenne!« Tränen rannen über Kips Gesicht. Er fühlte sich zerstört, ausgelaugt, am Ende.
    »Ich habe nicht von ihnen gesprochen, sondern von dir.«
    Das ließ Kip stutzen, aber seine Gefühle waren immer noch in Aufruhr. Seine Anwesenheit hatte Gavin davon abgehalten, König Garadul zu töten. Er kannte keine Worte, die seine Gefühle dafür übermitteln konnten. Er hatte seine Mutter abermals enttäuscht. Tatsächlich hatte er ihre Rache durch seine eigene Unfähigkeit verhindert.
    Ich werde es wiedergutmachen, Mutter. Bei meiner Seele. Ich werde ihn töten. Ich schwöre es.
    Mehrere kleine Dörfer zogen sehr schnell an ihnen vorbei und Dutzende von Booten mit völlig verblüffter Besatzung. Gespeist von Nebenflüssen wurde der Fluss breiter. Aber Gavin machte nur ein einziges Mal Halt, um gebratenes Huhn, Brot und Wein zu kaufen. Er warf das Essen Kip hin. »Iss.« Dann brachen sie wieder auf. Gavin aß nichts. Er sprach nicht und verlangsamte sein Tempo nur etwas, wenn sie an Fischern vorbeikamen, die er in ihren kleinen Booten durch seine gewaltige Bugwelle nicht zum Kentern bringen wollte.
    Erst als die Sonne unterging und Gavin den Antrieb einmal mehr verwandelte, wagte Kip wieder zu sprechen. »Kann ich helfen … Herr?«
    Das Prisma musterte ihn abschätzend, als sei ihm nicht einmal der Gedanke gekommen, er könne helfen. Aber als er sprach, sagte er: »Das würde ich wirklich zu schätzen wissen. Stell dich hier hin, und geh oder lauf einfach.« Er selbst war gerannt. »Zum Lenken benutzt du diese Handruder. Einfach an der Seite eintauchen, zu der du drehen willst. Backbord für Backbord, Steuerbord für Steuerbord, richtig?«
    »Backbord ist links?«
    Die Panik musste sich deutlich auf Kips Gesicht widergespiegelt haben, denn Gavin lachte leise. »Es spielt keine Rolle. Geh einfach, bis du zu müde bist oder wir auf Stromschnellen oder Banditen treffen. Ich werde mich für ein Weilchen ausruhen.« Gavin setzte sich auf Kips Platz und machte sich über die Reste des Huhns und des Brotes her. Er sah zu, wie Kip sich abmühte, das Boot auf eine halbwegs anständige Geschwindigkeit zu bringen. Kip musste ein paarmal ihren Kurs korrigieren – tatsächlich war es ziemlich einfach – und schaute sich bald nach Gavin um, um festzustellen, ob das Prisma sein Tun billigte, aber es schlief bereits.
    Die Mondsichel war direkt über ihnen, als die Nacht hereinbrach. Dafür, dass es nur von Kips Schritten angetrieben wurde, war das Boot sehr schnell. Zunächst erfüllte die Dunkelheit Kip mit Angst. Hinter jeder Biegung des Flusses erwartete er Banditen. Aber schon bald passte er sich den Rhythmen des Bootes, der Wellen und der Nacht an.
    In der Ferne schrie eine Eule, und kleine Fledermäuse flogen dicht über dem Wasser und fingen Insekten; dabei machten ihnen aus den Wellen springende Forellen Konkurrenz. Das Boot schreckte einen Reiher auf, der auf großen, blauen

Weitere Kostenlose Bücher