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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Unmöglich.
    Kip lächelte und winkte.
    Der Wachposten hob die Hand und winkte zurück. Schaute zu seinen Kameraden am Feuer. Er öffnete den Mund, um einen Alarmruf auszustoßen, aber nichts kam heraus. Er drehte sich wieder zum Fluss um und suchte nach Kip.
    Kip war immer noch in bequemer Schussweite der Armbrust. Das wusste er, aber er beschleunigte sein Tempo nicht, obwohl er – in diesem Moment – Energie übrig hatte. Alles, was er tat, könnte den Wachposten erschrecken.
    Der Wachposten starrte angestrengt in die Dunkelheit hinter dem verschwindenden Geist her – und sagte nichts. Er rieb sich bestürzt die Stirn, schüttelte abermals den Kopf und drehte sich wieder zu seinen Freunden um. Dann legte Kip einen Spurt hin, nicht lange, denn nach einer Minute hatte das Boot bereits ein paar hundert Schritt Strecke flussabwärts gemacht. Kip verlangsamte sein Tempo erneut. Er lächelte. So dumm es gewesen war, er hatte es geschafft, ohne das Prisma zu wecken.
    Er wusste nicht, wie lange er ging. Er versuchte, das Ufer im Auge zu behalten, aber Erschöpfung hatte sich in seine Knochen gesenkt. Er kam an kleineren Lagern vorbei – ob es Banditen waren oder nur unschuldige Reisende, konnte er nicht erkennen. Aber wann immer er sie sah, verlangsamte er sein Tempo zu einem Kriechen, bis er erkennen konnte, dass alle Männer im Lager schliefen.
    Es schienen tausend Jahre zu vergehen, bis der Himmel heller wurde. Kips Beine brannten. Seine Lunge schmerzte. Seine Arme konnte er kaum noch spüren, aber er weigerte sich innezuhalten. Selbst mit seinem mühsamen, schleppenden Schritt bewegte sich das Boot immer noch doppelt so schnell wie jeder andere Kahn.
    Endlich kam das Tageslicht, und die Sonne färbte die Gipfel der Karsos-Berge rot. Bald würde die Sonne aufgehen. Und noch immer erwachte das Prisma nicht. Kip würde nicht aufhören zu gehen. Nicht jetzt. Er war die ganze Nacht hindurch gegangen. Gewiss würde das Prisma jeden Augenblick aufwachen und sehen, was Kip getan hatte. Er würde beeindruckt sein. Er würde Kip mit neuen Augen sehen. Kip würde mehr sein als eine Last, eine Schande, ein Bastard, den man still und leise anerkannte und dem man dann aus dem Weg ging.
    Das Prisma regte sich, und Kips Herz machte einen Satz. Aber dann legte sich der Mann erneut bequem hin, und seine Atmung war wieder so stetig wie zuvor. Kip war der Verzweiflung nahe. Er betrachtete die aufgehende Sonne. Würde er warten müssen, bis das Licht dem Prisma direkt ins Gesicht schien? Das würde noch mindestens eine Stunde dauern. Kip schluckte. Seine Zunge fühlte sich dick und trocken an, rau wie eine Feile. Wie lange war es her, seit er das letzte Mal etwas getrunken hatte? Ein Fluss unter seinen Füßen, und seine Kehle war wie ausgedörrt.
    Er musste trinken. Wenn er nicht trank, würde er ohnmächtig werden. Der Weinschlauch des Prismas war nicht einmal einen Schritt entfernt. Kip hörte auf zu gehen. Seine Beine zitterten. Seine Füße waren taub, und jetzt schmerzten sie, als das Blut wieder in sie hineinsickerte. Er löste sich von dem Rudermechanismus und machte einen Schritt, um nach dem Weinschlauch zu greifen.
    Oder zumindest versuchte er es. Seine tauben Füße verhedderten sich, und er stürzte, wobei er es nur mit knapper Not schaffte, sich in eine andere Richtung zu drehen, um nicht auf das Prisma zu fallen. Seine verdrehte Schulter schlug gegen das Dollbord des Bootes, und plötzlich erwies sich alles, was an dem Boot gut gewesen war, als schlecht. Es war flach, aber schmal und rundspantig. Mit anderen Worten: Eine so plötzliche Gewichtsverlagerung von der Mitte zur Seite wie durch seinen Sturz war eine Katastrophe.
    Im einen Augenblick starrte Kip noch aus einer Entfernung von einigen Zoll auf den Fluss. Im nächsten kenterte das Boot. Kip stürzte kopfüber in den Fluss. Und obwohl sich das Wasser über seinen Ohren schloss und über seinen hilflos um sich schlagenden Gliedern, war er irgendwie sicher, den erschrockenen Aufschrei eines Mannes gehört zu haben.
    Der Fluss war warm. Kip fühlte sich so gedemütigt, dass er beschloss, einfach zu sterben und die Sache hinter sich zu bringen. Er hatte gerade das Prisma in den Fluss geworfen. Orholam!
    Oh, jetzt wird er wirklich beeindruckt sein, Kip.
    Dann begann seine Lunge zu brennen, und die Idee, still zu sterben, um einen unrühmlichen Klecks aus der Schöpfung zu entfernen, verlor jeden Reiz. Kip ruderte schwach mit den Armen. Seine Beine beschlossen, dass

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