Schwarzes Verlangen
waren alle unwichtigen Details wie weggewischt. Sie sah die Schatulle, und in den Schatten dahinter erkannte sie einen Mann. Er war durchschnittlich groß und schmal gebaut.
Seine Züge konnte sie nicht erkennen, nur das rote Glühen seiner Augen. Wer war er? Was war er? Würde er sich als Freund oder als Feind erweisen? Bewachte er die Büchse der Pandora? Versuchte er, Cameo daran zu hindern, sie zu zerstören?
Bei einer so mickrigen Muskelmasse hätte er keine Chance gegen sie.
Finde Viola. Finde ihn.
Aus dem Gang ertönten Schritte. Türscharniere quietschten.
Maddox kam zornig hereingestürmt. „Wage es ja nicht …“
Sie packte die Rute, bevor er den Satz beenden konnte, nur zur Sicherheit, und spürte den kühlen Kristall an ihrer Haut.
Und dann wusste sie nichts mehr.
7. KAPITEL
Séduire
Im Augenblick war Josephina die Persephone zwischen Zwillings-Adonissen. Zwei Palastwachen hielten sie mit eisernem Griff fest, damit sie nicht weglaufen konnte. Es waren wunderschöne Männer, groß und stark – wenn auch nicht so groß und stark wie Kane – mit dem Fae-typischen Aussehen. Beide hatten weißes Haar, blaue Augen, blasse Haut und rote Lippen. An den Schultern ihrer maßgeschneiderten violetten Umhänge waren diverse Medaillen angebracht. Ihre Hosen waren weiß, ohne einen einzigen Fleck, und so eng, dass sie genauso gut hätten aufgemalt sein können. Schwarze Stiefel reichten ihnen bis zu den Knien.
Oh ja. Es waren wunderschöne Männer, doch zugleich stolze Besitzer kalter, toter Herzen. Sie wussten, was mit ihr passieren würde, und ließen sie trotzdem nicht los.Wenn überhaupt, hielten sie sie nur noch fester.
Die Freiheit war zum Greifen nah, dachte sie und kämpfte mit einer Woge der Verzweiflung. Und trotzdem bin ich wieder hier gelandet.
Wenigstens hatte der bösartige Hass, den sie sich von Kane geborgt hatte, sie wieder verlassen und war zu ihm zurückgekehrt.
Vor ihr ragte die königliche Estrade auf. Auf einem üppig verzierten Thron aus massivem Gold saß König Tiberius, die Hand um ein juwelenbesetztes Zepter gelegt. Zu seiner Rechten stand ein kleinerer Thron, auf dem die elegante Königin Penelope Platz genommen hatte. Zu seiner Linken war ein weiterer Thron aufgebaut, der für die makellose Prinzessin Synda bestimmt war.
Hinter dem Trio befand sich eine nochmals erhöhte Stufe. Doch auch wenn der Bereich höher angesiedelt war, wirkte er wie ein bloßer nachträglicher Einfall. Dort saß Prinz Leopold. So sehr er auch behauptete, sie zu wollen, hatte er trotzdem nicht gezögert, Josephina zu den Wachen zu eskortieren und sie in deren „Obhut“ zu übergeben.
In Josephinas Rücken standen die Opulen. Mit ihren feinsten Gewändern bekleidet, hatten sie sich hier versammelt, um bei ihrer jüngsten Bestrafung zuzusehen. Die Frauen trugen aufwendig gearbeitete Kleider mit hautengen Korsagen und weiten, glockenförmigen Röcken. Ihre Gesichter zierte auffälliges Make-up, Diamantstaub veredelte die leuchtenden Farben. Das Haar trugen sie teilweise verdeckt unter ausladendem, juwelenbesetztem Kopfschmuck, der in funkelnde Halbmonde auslief. An ihren Hälsen schimmerten Colliers aus kostbarsten Edelmetallen, deren Perlenschnüre sich über ihre Schultern und in die Dekolletés ergossen.
Die Männer trugen samtene Fräcke in jeder nur vorstellbaren Farbe, in die Schultern, Ellenbogen und Säume waren metallene Verzierungen eingearbeitet. Ihre Hosen waren nicht ganz so eng wie die der Palastwachen, schmiegten sich jedoch trotzdem dicht an hart erarbeitete Muskeln.
In Séduire war Schönheit weit wichtiger als Klugheit, Kleider wichtiger als Essen. Ununterbrochen waren politische Intrigen im Gange. Ein offener Mund war ein lügender Mund. Macht war genauso wertvoll wie Geld. Von morgens bis abends standen Lust, Gier und Folter auf dem Menü.
Josephina hasste dieses Reich.
Jeder Angehörige der Fae besaß eine außergewöhnliche Fähigkeit – wobei sie sogar zwei besaß –, doch manche waren besser als andere. Der König war wie Josephina doppelt begabt: Neben der Macht, anderen bestimmte Fähigkeiten zu verleihen, konnte er auch einen Schutzschild um seinen Leib herum projizieren. Die Königin war in der Lage, ein Objekt zu berühren und damit seine gesamte Geschichte zu erfahren. Leopold konnte anderen mit nur einem Wort Schmerzen zufügen.
Jegliche Fähigkeiten, die Synda je besessen haben mochte, waren ausgelöscht worden, als sie sich den Dämon eingefangen hatte. Doch
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