Schwarzes Verlangen
hatte der König sie auf diese Weise benutzt, trotz des Protests ihrer Mutter.
Leopold hatte gerade die Schwelle zur Unsterblichkeit überschritten, durch die er nie mehr körperlich altern würde, und hatte im Garten mit zwei Sklavinnen gefeiert. Als Josephina über die drei gestolpert war, hatte sie Dinge gesehen, die ihr noch heute die Schamesröte auf die Wangen trieben; er hatte ihr erschrockenes Japsen gehört und aufgeblickt. Stumm war sie zurückgewichen, voller Furcht, er würde seiner Mutter erzählen, sie sei eine Spionin, und die Königin würde sie auspeitschen lassen. Schon wieder.
Doch Leopold hatte gelächelt, Josephina befohlen zu bleiben, wo sie war, und dann seine Kleider gerichtet und die Frauen weggeschickt. Sanft hatte er sie mit ihrem Erröten aufgezogen, die Blumen aufgehoben, die sie hatte fallen lassen, und sie ihr galant überreicht, als wäre sie eine heiratsfähige Opulen und seiner Aufmerksamkeit würdig.
Über die folgenden Jahre hatte er sich oft mit ihr getroffen, mit ihr geredet, mit ihr gelacht, und zum ersten Mal in ihrem Leben hatte Josephina sich mit jemand anderem als ihrer Mutter verbunden gefühlt.
Doch an jenem Tag, als auch Josephina die Schwelle zur Unsterblichkeit überschritten hatte, auch wenn sie wesentlich zerbrechlicher blieb als reinblütige Fae, hatte sich der Fokus von Leopolds Aufmerksamkeit verändert. Statt wie bisher brüderlich mit ihr umzugehen, hatte er begonnen, sie zu umwerben, war nicht länger charmant, sondern drängend, und hatte sogar versucht, sie zu küssen. Damals war sie vor ihm weggelaufen.
Seitdem war er unermüdlich hinter ihr her.
Es war nie wieder dasselbe gewesen zwischen ihnen, und so würde es auch nie wieder werden.
„Wirst du aber nicht“, antwortete sie selbstsicher.
Der Gefangene gegenüber kicherte über ihre standhafte Zurückweisung.
Fast unmerklich röteten sich Leopolds Wangen. Er ließ von ihr ab und stapfte zudem Mann hinüber. Statt wütend die Fäuste auf ihn einprasseln zu lassen, neigte er bloß den Kopf zur Seite und sagte: „Schmerz.“
Von einer Sekunde auf die andere kreischte der Mann entsetzt und begann am ganzen Leib zu beben. Schon bald sickerte ihm Blut aus den Augen, aus der Nase und aus den Mundwinkeln.
„Hör auf!“, schrie Josephina. „Hör auf, Leopold! Bitte.“
Und das tat er auch. Als der Mann tot war.
Galle brannte in ihrer Brust und sammelte sich in ihrer Kehle.
Gemächlich drehte Leopold sich im Kreis und blickte jeden der dort festgeketteten Männer an. „Hat hier sonst noch jemand was zu sagen?“
Nur das Klirren der Ketten war zu vernehmen.
Mit finsterer Miene hielt der Prinz Josephinas Blick fest und spie auf den Boden zu ihren Füßen. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Prinzessin Synda das nächste Verbrechen begeht. Man wird dich an ihrer Stelle auspeitschen. Oder Schlimmeres. Lass mich dich beschützen.“
„Selbst wenn du mich retten könntest, würde ich dich niemals als die bessere Wahl sehen“, erwiderte sie mit brechender Stimme.
„Das werden wir noch sehen. Ich ziehe aus, um die Männer gefangen zu nehmen, die dich verfolgen. Jemand von der Reichswache wird für dich verantwortlich sein. Ich wage zu bezweifeln, dass er genauso sanft mit dir umgeht wie ich.“ Mit diesen Worten verließ er den Kerker.
Sie stieß ein verbittertes Lachen aus. Kane hatte sie gefragt, warum sie sterben wollte. Hatte wissen wollen, was er unternehmen könnte, um ihr zu helfen. Tja, genau das war der Grund. Und offensichtlich gab es nichts, was er tun könnte. Genau wie sie es vorhergesehen hatte.
Niemand konnte irgendetwas tun.
Aber ich kann ihm helfen, dachte sie dann. Sie konnte ihre zweite Gabe benutzen und Kane warnen, dass die Wachen ihm einen Peilsender untergeschoben hatten. Dann wäre er wenigstens nicht unvorbereitet, wenn sie ihn erwischten. Er könnte kämpfen. Und er könnte gewinnen. Oder fliehen.
So viel war sie ihm schuldig, und es hatte nichts damit zu tun, dass sie ihn wiedersehen wollte. Wirklich.
8. KAPITEL
Texas
Im „Teaze“
Harter Rock dröhnte durch den Club, dass der Boden bebte und die Wände wackelten. Flackernd und wirbelnd erhellten Stroboskope den Raum in allen Regenbogenfarben, schufen ein schwindelerregendes Kaleidoskop, das irgendwie sämtliche Hemmungen herunterschraubte. Unsterbliche Männer und Frauen tobten sich auf der Tanzfläche aus, streiften auf der Suche nach ihrer nächsten Beute durch die Reihen oder saßen an den Tischen und
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