Schwarzes Verlangen
von ihrem Gesicht und wurde zu ihrem Anker, das Einzige, was sie hier noch hielt. „Du hast vier Tage lang im Bett gelegen.“
Vier Tage!
Bei dieser Erkenntnis wurde ihr schlecht. Ihr Vater würde zornig auf sie sein – hatte wahrscheinlich sogar irgendwann zwischendrin versucht, sie zum Aufstehen zu zwingen. Sie hatte Pflichten, und man würde sie dafür bestrafen, dass sie sie nicht erfüllt hatte. Doch der wahre Grund für ihre Panik? Kanes Hochzeit stand jetzt so viel dichter bevor.
„Keine Sorge“, sagte er. „Ich hab mich um deinen Vater gekümmert.“
Immer noch hing er mit seinen betörenden grüngoldenen Augen an ihr, schien sie damit förmlich aufzusaugen und sich jeden ihrer Züge einzuprägen. Sie konnte kaum blinzeln, so sehr fesselte sie die Intensität seines Blicks. Seine Erhabenheit faszinierte sie … und die zahlreichen Verletzungen auf seiner Haut verwirrten sie.
„Was ist mir dir passiert?“, fragte sie. „War das mein Vater? Mein Bruder?“
Er rieb sich über die hässlichen Schnitte auf seiner Stirn. „ Katastrophe .“
Schon immer hatte sie Syndas Dämon gehasst, genau wie die Dämonen der Herren der Unterwelt. Sie trieben ihre Hüter in die Verzweiflung und ruinierten …alles. Doch was sie früher einmal empfunden hatte, war nichts im Vergleich dazu, was sie jetzt fühlte. Sie wollte Katastrophe tot sehen. „Tja, danke, dass du dich um mich gekümmert hast.“ Abgesehen von ihrer Mutter war er der Erste, der das je getan hatte.
Er lächelte sanft … zärtlich. „Ich hatte eher damit gerechnet, du würdest mich dafür beschimpfen.“
Für eine Menge anderer Dinge vielleicht, ja. Aber dafür? Niemals. „Warum?“
„Ich habe deine Todessehnsucht nicht vergessen, Tink“, sagte er, und in seiner tiefen Stimme lag ein rauer Unterton.
„Nicht so“, wisperte sie. Niemals so. Das Böse, das in ihr gehaust hatte, hätte sie auf direktem Wege in die Hölle gezerrt und zu einem weit schlimmeren Schicksal verdammt als dem, das sie im Moment durchlebte.
Kane spielte mit ihren Haarspitzen, und so harmlos die Berührung auch war, weckte sie doch exakt dieselbe Begierde in ihr, die sie bei der Schneiderin hatte niederkämpfen müssen. Hunger – nach ihm. Begehren – nach so viel mehr.
„Hast du je mit den Moiren gesprochen?“, fragte er.
Allein der Name verpestete schon die Luft im Zimmer. „Nein.“
„Hast du von ihnen gehört?“
„Natürlich. Sie behaupten, sie würden den Lauf des Schicksals weben.“
„Behaupten?“ Er ließ ihre Haare fallen, um ein Glas Wasser vom Nachttisch zu nehmen. „Du glaubst, das ist gelogen?“
„Definitiv.“ Bis zu diesem Augenblick war Josephina nicht klar gewesen, wie durstig sie war. Alles andere war vergessen.
Er hielt ihr einen Strohhalm an die Lippen, und sie trank und trank und trank, spürte, wie die kühle Flüssigkeit ihre Kehle beruhigte.
Kane beobachtete ihren Mund … ihre Kehle.
Als das Glas leer war, lehnte sie sich zurück und leckte sich die Lippen.
Auch das beobachtete er.
„Mehr?“, fragte er, und Hitze verdunkelte seine Augen.
„Ja, bitte.“ Doch sie war sich nicht sicher, was sie wollte – mehr Wasser oder mehr von Kane.
Er nahm einen Krug und goss Wasser in das Glas. Doch gerade als er ihr den Strohhalm wieder an die Lippen hielt, platzte der Boden des Glases ab. Kalte Flüssigkeit ergoss sich über ihre Brust, und sie schnappte nach Luft.
„Es tut mir so leid“, murmelte Kane und sprang auf, um ein paar trockene Tücher zusammenzusuchen. Er fing an, sie abzutrocknen, fluchte und reichte ihr dann die Lappen.
Als sie fertig war, reichte er ihr zögernd ein neues Glas.
„Mach dir keinen Kopf“, tröstete sie ihn. „Ich schätze, ich hatte sowieso ein Bad nötig.“
Seine Mundwinkel zuckten, ein winziger Anflug von Belustigung. „Ich hab dafür gesorgt, dass du sauber geblieben bist.“
Mit heißen Wangen trank sie ihr Wasser aus. Endlich begannen ihre Kräfte zurückzukehren, rannen durch ihre Adern, erweckten ihre Organe zu neuem Leben.
„Warum hältst du die Moiren für Lügnerinnen?“, wollte Kane wissen.
„Tja, grundsätzlich hat schon mal jeder einen freien Willen. Es ist nicht das Schicksal, das entscheidet, welchen Weg man letzten Endes wählt.“
Wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen, kehrten seine Finger zu ihrem Haar zurück. „William hat etwas Ähnliches gesagt.“
„William ist ein ziemlich weiser Mann.“
Daraufhin verdrehte er nur die Augen.
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