Schwarzes Verlangen
„Weiter.“
„Das Schicksal behauptet, alles wäre vorherbestimmt . Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es vorherbestimmt war, dass meine Mutter solche Qualen durchmachen musste. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich dazu bestimmt bin, eine Sklavin zu sein.“
„Genauer.“
Noch nie waren Ein-Wort-Sätze so … sexy gewesen. Erschauernd erklärte sie: „Mein Vater hat beschlossen, dass er meine Mutter will, also hat er sie sich genommen. Es war ihre Entscheidung hierzubleiben. Ich bin auf die Welt gekommen, und man hat mir gesagt, ich hätte eine Aufgabe, und es war meine Entscheidung, es zu glauben oder es zu ignorieren.“
Stumm sah er sie an … nachdenklich? „Was ist mit Ehen? Glaubst du, für jeden ist jemand vorherbestimmt?“
„Oh ja, aber nicht jeder folgt diesem Schicksal.“ Hoffentlich hörte er heraus, was sie nicht aussprach – er musste vorsichtig sein, was Synda und Weiß betraf. „Offensichtlich kann der freie Wille dem Schicksal also ein Schnippchen schlagen.“
„Du willst damit also sagen, Entscheidungen und Schicksal bestimmen den Verlauf unseres Lebens?“
„Das glaube ich jedenfalls, ja. Es ist bloß leichter, die Schuld für sämtliche Fehler dem Schicksal in die Schuhe zu schieben.“
Federleicht strich er mit dem Daumen über ihren Kiefer und bereitete ihr so eine Gänsehaut. „Die Entscheidungen anderer haben dich verletzt.“
Sie lehnte sich seiner Berührung entgegen, war gefangen in der Intimität des Augenblicks. „Genau wie dich.“
„Ja.“ Es entstand eine Pause, als hätte er mit den nächsten Worten zu kämpfen. „Die Moiren sagen, mir sei vorherbestimmt, eine Apokalypse auszulösen.“
Zusätzlich zu seiner Heirat mit diesem Mädchen, Weiß? Glaubte er ihnen?
Der Zauber war verflogen. „Diese Schlampen sind nicht allmächtig, Kane.“
„Schlampen?“ Er grinste.
Wie konnte sie es ihm nur begreiflich machen? „Die lieben einfach nur das Chaos und pflanzen uns ihre Ideen in die Köpfe. Wir grübeln darüber nach, wir werden davon besessen, sodass wir letzten Endes genau so handeln, wie es zum Gesagten passt. Und dadurch verursachen wir das, was vorhergesagt wurde.“
„Wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.“ Er hob eine Augenbraue. „All das weißt du, obwohl du nie mit ihnen geredet hast?“
Berühr mich noch einmal. Nimm mich in deine Arme. Sag mir, dass du Weiß nicht begehrst. „Na ja, ich hab nie behauptet, sie hätten nicht mit mir geredet.“
Er versteifte sich. „Also bist du ihnen tatsächlich schon einmal begegnet?“
„Ja.“ Und diese Begegnung hatte sie in Rage versetzt.
Vor Jahren hatten die drei Hexen ihr erzählt, sie wäre dazu bestimmt, den Tod ihrer Mutter herbeizuführen. Sie hatte gerade ein paarmal nach Luft schnappen können, bevor sie sie wieder fortgescheucht hatten, doch von jenem Moment an hatte Josephina begonnen, sich davor zu fürchten, ihrer geliebten Mutter auf irgendeine Weise Schaden zuzufügen. Jedes einzelne Wort, jede Handlung hatte sie totanalysiert.
Josephina hatte aufgehört zu essen, hatte aufgehört zu schlafen. Sie hatte aufgehört, ihre Mutter zu besuchen, aus lauter Angst vor dem Schaden, den sie anrichten könnte. Mit der Zeit war ihre Furcht ansteckend geworden. Ihre Mutter hatte begonnen, sich um Josephinas Gesundheit zu sorgen und die scheinbare Abkehr ihrer Tochter zu betrauern. Bald hatte Glorika Gewicht verloren, Energie und Vitalität – und dann auch die Gunst des Königs. Sie war aus seinen Gemächern verbannt und zurück in die Bedienstetenquartiere geschickt worden.
Dort war man schändlicher denn je mit ihr umgesprungen. Von den Frauen war sie gemieden worden, von vielen Männern heimlich belästigt. Die Königin hatte es ausgiebig genossen, sie bei jeder Gelegenheit zu erniedrigen.
Zu guter Letzt hatte Glorika sich umgebracht. Alles, weil Josephina sich von ihr ferngehalten hatte. Also, ja. Josephina hatte dabei geholfen, sie zu vernichten. Hätte sie sich niemals Sorgen gemacht, wäre keiner von ihnen etwas Schlimmes zugestoßen. Ihre Mutter wäre noch am Leben.
„Die beste Entscheidung deines Lebens wird es sein zu vergessen, was die Moiren dir erzählt haben“, beschwor sie ihn.
Er schüttelte den Kopf, und dunkle Locken fielen ihm in die Stirn. „Ich trage den Dämon Katastrophe in mir. Wie könnte ich keine Apokalypse auslösen?“
Nur zu deutlich hörte sie das Entsetzen in seiner Stimme, die Qual. „Denk drüber nach. Du tust alles in deiner Macht
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