Schwarzfeuer: Roman (German Edition)
Glück«, sagte sie und schlüpfte hinaus.
Das Treppenhaus des Turms war kühl und still. Es gab keine Fackeln; die gläsernen Wände der Himmelsnadel verströmten ihren eigenen goldenen Schimmer, ein Echo des Sonnenlichts vom vergangenen Tag. Bitharns Schritte hallten hohl, während sie die Wendeltreppe hinaufstieg. Mit jedem Schritt wurde die Aura von Heiligkeit in der Luft stärker. Sie war nicht gesegnet und besaß keine eigene Magie, aber selbst sie spürte die kribbelnde Gegenwart des Göttlichen, als sie sich dem Gipfel des Turms näherte. Es erfüllte sie sowohl mit einem Gefühl der Herrlichkeit als auch der Furcht, und sie fragte sich, ob Celestia sie für das, was ihr auf der Seele lag, zerschmettern würde. Gewiss musste die Strahlende ihre Absichten kennen.
Nichts zerschmetterte sie. Nach drei Windungen der Turmtreppe erreichte Bitharn den Bogengang mit den Runen darüber, der zum Siebten Ring führte. Wie alle Eingänge in den hohen Ebenen des Turms hatte dieser keine Tür. Stattdessen lag vor dem schön gemeißelten Marmor ein Vorhang aus hauchzartem Licht, das durch tausend bewegliche Schattierungen von Gold und Weiß schimmerte.
Wenn ein Feind des Glaubens versuchte, dieses Tor zu durchschreiten, würden die Feuer der Sonne das Blut in seinen Adern zum Kochen bringen, und seine Knochen würden zu Asche verkohlen. Sollte den Gefangenen auf der anderen Seite jemals die Flucht aus ihren Zellen gelingen, kämen sie nicht weiter als bis zu diesem zarten Netz aus Licht – es sei denn, sie wollten diesem Leben gänzlich entfliehen.
Einzig eine im Namen der Sonne gesalbte Seele konnte Celestias Portale sicher durchschreiten. Und einzig eine solche konnte Sündern ein sicheres Durchschreiten ermöglichen, und dann auch nur für eine gute Sache. Die Unwürdigen fanden ein schnelles und feuriges Ende.
Bitharn zog die Kette hoch, an der ihr Sonnenmedallion hing, zupfte das Emblem aus ihrem Hemd und legte es sich auf die Brust. Für so ein winziges Stück Gold fühlte sich der Anhänger viel zu schwer an; er lastete wie ein Mühlstein auf ihr. Sie verschränkte die Finger hinterm Rücken, um ihr Zittern zu verbergen, obwohl es niemand außer ihr hätte sehen können.
Sie trat direkt vor den Bogen, wie man es sie gelehrt hatte, weniger als eine Armeslänge vom Licht entfernt. Aus dieser Nähe spürte sie seine Hitze und sah das Kräuseln wie Luft über einem Backofen mitten im Winter.
Bitharn schluckte mit trockener Kehle, streckte das Kinn vor und rezitierte die Worte des Durchgangs. »Celestia, Strahlende, gewähre mir deinen Segen, auf dass ich durch das Feuer in das Licht deiner Wahrheit gelangen möge.« Und dann fügte sie leise ihre eigenen Worte hinzu: »Bitte, ich weiß, dass das, was ich hier tue, Unrecht ist – aber es ist ein kleines Unrecht zum Wohl eines größeren Rechts, und ich weiß, dass du das erkennen musst. Bitte, strahlende Göttin, wenn du auch nur ein wenig Liebe für deine sterblichen Kinder empfindest, lass mich passieren und Kelland zurückholen.«
Mit offenen Augen trat sie in das Portal. Es fühlte sich an wie etwas aus einem Traum, als falle sie aus einer unendlichen Höhe, ohne das Gefühl, in einem Körper gefangen zu sein. Als wäre sie ein Sonnenstrahl, umgeben von Wärme und Licht, in die Wärme hineingewoben und von ihr untrennbar. Überall um sie herum war Hitze, die jedoch anscheinend Teil ihres eigenen Fleisches war und sie nicht verbrannte.
Dann war sie auf der anderen Seite und zurück in der Welt, die sie kannte. Sie kam ihr unglaublich kalt und düster vor. Bitharn stand innerhalb des Siebenten Rings, das Sonnenportal ein goldenes Schimmern in ihrem Rücken. Die Zellen öffneten sich um sie herum wie die gläsernen Blütenblätter der Blume eines Juweliers, in deren Herz sich die Treppenstufen des Turms wanden.
Auf dem Boden sah sie eine goldene Kompassrose. Bitharn folgte ihren Strahlen zur Nordostzelle. Deren Gitterstäbe zeichneten wie die Stäbe aller Zellen auf diesem Stockwerk das Spiralmuster des Sonnenzeichens nach. Sie schienen aus Glas gemacht und waren durchsichtig bis auf ein schmales Goldband in der Mitte eines jeden Stabes. Das dickste war nicht breiter als ihr Handgelenk. Bitharn hatte den Eindruck, dass sie nicht einmal ein Kind gefangen halten konnten, aber im Näherkommen spürte sie ein leises Dröhnen, das durch die Gitterstäbe vibrierte, und sie sah eine hochgewachsene Gestalt, die sich aus den Tiefen der Zelle erhob, um sie zu
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