Schwarzkittel
er in Ludwigshafen obduziert worden ist.«
»Ja, im ›Heiligen Leo‹, ich weiß«, ergänzte ich.
»Ach, sieh da, unser Herr Kriminalhauptkommissar hat auch schon erste Ergebnisse. Dann erzähle uns mal, was du heute schon so alles erlebt hast.«
Natürlich erzählte ich nicht alles. Meine Reifenpanne und das Treffen mit Dietmar Becker wollte ich vorläufig für mich behalten. Aus diesem Grund verschwieg ich meinem Team ebenfalls, woher das Papier mit den Namen der Kinderärzte stammte.
»Die Liste habe ich rein zufällig dort herumliegen sehen«, beendete ich meinen Bericht aus der Kinderklinik.
»Rein zufällig«, wiederholte Gerhard. »Ist schon gut, Reiner. Wir wollen es gar nicht genauer wissen.«
Jutta winkte mit einer raschen Handbewegung ab. »Ich finde, wir sind viel zu sehr auf diese Pseudokrupp-schiene fixiert. Es gibt bis jetzt keinerlei Anhaltspunkte, dass die Tat wirklich damit zu tun hat. Wir müssen das Umfeld der Familie Dipper weiträumiger erfassen.«
»Meine liebe Jutta«, unterbrach sie Jürgen mit einem breiten Grinsen. »Wenn du mich nicht hättest. Ich kann euch weitere Tatverdächtige anbieten und zwar die Familie Grötzen.«
Nachdem wir Jürgen mehrere Sekunden fragend, aber schweigend angeschaut hatten, klärte er uns auf. »Die Grötzens sind die Nachbarn der Dippers. Rechts, wenn man vor dem Haus steht. Seit über einem Jahrzehnt überhäufen sich die beiden Nachbarn gegenseitig mit Strafanzeigen und Gerichtsprozessen. Meist handelte es sich um solche elementar wichtigen Dinge wie ein zerbrochener Gartenzwerg, dessen Zerstörung dem Nachbar zugeschrieben wurde. Doch vor gut zwei Wochen ging es richtig zur Sache. Karlheinz Dipper hat Strafanzeige wegen Kindesmisshandlung gestellt. Ihr müsst wissen, Frau Grötzen hat ein Gewerbe angemeldet und ist als Tagesmutter tätig. Karlheinz Dipper will Anzeichen erkannt haben, dass der Frau ab und zu die Hand ausrutscht und sie die betreuten Kinder züchtigt.«
»Aha, das ist in der Tat recht interessant. Wie hast du das eigentlich herausgefunden, Jürgen?«
Unser Jüngster strahlte bis über beide Ohren. »Ganz einfach, es war ein Abfallprodukt. Ich habe für Reiner Informationen zu dem Haßlocher Pseudokrupp-fall zusammengestellt, und dabei hat der Computer mir diese Geschichte gleich mitpräsentiert.«
»Gut gemacht, vielleicht schaust du mal nach, ob du weitere interessante Details findest.«
»Sollen wir das Personal vom ›Heiligen Leo‹ unter die Lupe nehmen?«, schlug Jutta vor.
»Auf jeden Fall«, bestätigte ich. »Besonders diesem Professor Doktor Zynanski müssen wir auf den Zahn fühlen. Der führt sich auf, als ob ihm das Krankenhaus gehört. Und nicht zu vergessen der Assistenzarzt Sebastian Windeisen, in dessen Büro ich zufällig die Namensliste fand.«
»Okay, Reiner, das werde ich übernehmen«, bestimmte Gerhard.
»Danke, Gerhard, ich werde dafür nachher zu Frau Dipper fahren und anschließend mal den einen oder anderen Kinderarzt auf dieser Liste kontaktieren. Vielleicht kommt etwas dabei raus.«
»Dann haben wir die Arbeiten bis morgen wohl verteilt«, schloss Jutta. »Ich denke, es reicht, wenn wir uns morgen früh gegen 9 Uhr wieder sehen. Irgendwelche Einwände?«
»Nicht, wenn bis dahin die Kaffeemaschine entkalkt ist«, murmelte ich vor mich hin.
Jutta hatte es trotzdem gehört. »Warum bist du so scharf auf Gerhards Sekundentod? Wir haben unten doch so einen schönen neuen Kaffeeautomaten. 35 verschiedene Heißgetränke kann er dir zaubern, mein lieber Reiner.«
»Genau das ist doch das Problem«, antwortete ich kleinlaut, stand auf und verließ die Runde.
In meinem Büro lag ein gewaltiger Stapel Papiere im Posteingangskörbchen. Im Laufe der Jahre hatte ich mir eine gewisse Systematik zugelegt. Offensichtliche Werbung flog ungeöffnet in meine runde Ablage unter dem Schreibtisch, die einmal täglich von der Putzkolonne geleert wurde. Die restliche Post, die nicht mit ›Vertraulich‹ gekennzeichnet war, gab ich im Sekretariat zur weiteren Bearbeitung ab. Dummerweise landete ein nicht unbeträchtlicher Teil dieser Vorgänge dann doch wieder auf meinem Schreibtisch, diesmal als interne Bearbeitungsmappen. Immerhin war dann alles vorstrukturiert und ich hatte so ein bis zwei Tage Zeit gewonnen.
Das Telefon klingelte. Eigentlich wollte ich nicht rangehen und in Ruhe ein wenig über den Fall nachdenken. Neugierig, wie ich aber nun einmal war, schielte ich auf das Display. In der nächsten Sekunde
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