Schwarzkittel
werdenden Landstraßen herumkurvte. Vermutlich habe ich dabei Landstriche entdeckt, auf den kein Mensch vorher seinen Fuß, beziehungsweise sein Auto gesetzt hatte. Aufgrund des Wetters fand ich in den sporadisch auftauchenden Kleinstdörfern keine Menschenseele. Schon nah an der Verzweiflung, glücklicherweise wenigstens mit halb vollem Tank, entdeckte ich an einer Straßengabelung den Ortshinweis ›Mannheim‹. Ich wunderte mich zwar, dass es in dieser abgelegenen Gegend ausgerechnet einen Hinweis auf Mannheim gab, zumal diese Stadt in einem anderen Bundesland liegt. Doch die offensichtlich nahende Rettung verbot mir, weiter darüber nachzudenken. Die Straßen wurden zunehmend enger, der Nebel nahm zu und dann sah ich das Ortsschild. Erst als ich knapp davor stand, erkannte ich meinen Irrtum. ›Marnheim‹ stand in großer schwarzer Schrift auf gelbem Untergrund. Es fehlte nur noch der Hinweis ›Willkommen am Ende der Welt‹. Glücklicherweise entdeckte ich wenige Augenblicke später eine Tankstelle mit 24-Stunden-Service. Der freundliche Inhaber beschrieb mir den Weg zur A 63, den ich letztendlich mit reichlicher Verspätung einwandfrei fand.
Als ich meine gedankliche Irrfahrt beendet hatte, parkte ich direkt vor dem Haus der dipperschen Praxis. Sie schien geschlossen, was unter diesen Umständen wirklich nicht verwunderlich war. Der Zugang zur Privatwohnung erfolgte durch eine separate Eingangstür. Ich drückte die mit ›K. + E. Dipper‹ beschriftete Klingel. Im Haus hörte ich den Big Ben schlagen und kurz darauf öffnete mir eine muskulöse und herrisch dreinblickende Enddreißigerin. Ihre dunklen Haare hatte sie zu einem Knoten zusammengebunden und mit zahlreichen Haarnadeln gespickt. Ihr schwarzes Kostüm mit Blumenstickereien schien nicht vom Wühltisch zu stammen. Auffällig waren ihre Ohrringe, es handelte sich um Nachbildungen kleiner Goldbarren. Ich war mir nicht mal sicher, ob es wirklich nur Imitate waren.
Böse blickte sie mich an. »Ich gebe keine Interviews. Schert euch zum Teufel, ihr verdammten Pressefuzzis!«
»Entschuldigen Sie, Frau Dipper«, konnte ich gerade noch zu meiner Verteidigung ansetzen, bevor sie die Tür schließen konnte. »Ich bin nicht von der Presse.« Ich hielt ihr meinen Dienstausweis unter die Nase.
Ihr Verhalten änderte sich dadurch keineswegs. »Und was wollen Sie von mir? Ich habe Ihren Kollegen schon alles gesagt. Oder können Sie meinen Mann wieder lebendig machen? Sie sehen doch, dass ich vor einem Scherbenhaufen stehe. Was soll ich jetzt nur mit der Praxis machen? Ich kann mir doch keinen fremden Facharzt ins Haus holen.« Sie schüttelte verzweifelt den Kopf.
Ich nahm die Gelegenheit wahr, sie zu unterbrechen. »Was passiert ist, tut mir sehr leid, Frau Dipper. Mein herzliches Beileid. Dennoch würde ich Ihnen gerne ein paar kurze Fragen stellen. Schließlich wollen doch auch Sie, dass wir den Mörder Ihres Mannes so schnell wie möglich finden, oder?«
»Ja, ja, dann kommen Sie mal rein. Laufen Sie aber bitte nicht über den Perser, der ist frisch aus der Reinigung. – Zahlt die Haftpflichtversicherung des Kaminkehrers.«
Die Wohnungseinrichtung war typisch 70er-Jahre und extrem spießig gestaltet, das erkannte sogar ich. Zwischen dem ganzen Eichenschrank- und Tischmobiliar stand der eineinhalb Meter große Flachbildfernseher als kontrastreicher ›Stilbruch‹, sofern man das so nennen konnte. Frau Dipper schaltete die laufende Gerichtsshow ab und wies mir einen Platz auf der braunen Ledergarnitur zu.
»Ich weiß wirklich nicht, wie ich Ihnen helfen kann.« Sie saß keine Sekunde, als sie wie von einer Tarantel gestochen wieder aufstand, zu einem Vertiko ging, dort zwei oder drei Tabletten holte und diese mit einem Schluck aus einem Glas, dessen Inhalt rötlich gefärbt war, hinunterspülte.
»Jede Kleinigkeit kann wichtig sein«, brachte ich meinen Standardspruch an den Mann beziehungsweise an die Frau. »Je älter die Spuren, desto schwieriger wird es für unsere Arbeit.«
»Ich habe doch bereits Ihren Kollegen geschildert, wie ich meinen Mann fand. Er hing an diesem Baum und hatte den Zettel um den Hals. Ich konnte niemanden sehen und selbst Bodo schlug nicht an.«
»Bodo ist ihr Hund?«
»Ja, ich habe ihn im Moment allerdings bei Bekannten untergebracht. Denn zurzeit habe ich wirklich keine Nerven, mich um ihn zu kümmern.«
»Das kann ich vollauf verstehen, Frau Dipper. Können Sie mir sagen, ob ihr Mann gewettet hat?«
Sie lachte kurz
Weitere Kostenlose Bücher