Schwarzkittel
Arbeitsplatz in der Direktion Ludwigshafen. Nach der Schließung der Speyerer Inspektion wurde diese nach Schifferstadt verlegt und mit weiteren Kollegen aus Ludwigshafen verstärkt.
Die Cola hatte ich längst leer getrunken. Bevor ich mich auf den Weg zum Besprechungsraum machte, stoppte ich an unserem Getränkeautomaten, was nicht unproblematisch war. Ich meine damit nicht den Stopp an sich, sondern die Auswahl. Der Kaltgetränkeautomat mit den vier schwarzen Eddingstrichen auf dem Gehäuse lieferte aus dem einen oder anderen Fach, so genau wusste das niemand, eine abscheulich schmeckende Diätlimonade. Die anderen Ausgabefächer waren zwar grundsätzlich mit besser schmeckenden Alternativen bestückt, doch verbeamtete Zeitgenossen, man könnte sie auch als Kollegen bezeichnen, manipulierten ab und zu die Auswahlhierarchie, sodass trotz aller gegenteiliger Bemühungen eine Diätlimonade ins Ausgabefach rutschte.
Ich ging einen Schritt weiter zum neuen Automaten für Heißgetränke. Ein Kaffee wäre nicht schlecht, außerdem würde mir so vielleicht Gerhards selbstgebrauter Sekundentod erspart bleiben. Ich versuchte, die einzelnen Angebote zu verstehen. Bei Espresso und Cappuccino funktionierte das noch, doch was waren Latte macchiato, Melange, Café au Lait, Moccacino? Verdammt, warum gab es hier keinen Kaffee mit einem Schuss Milch? Ich hätte die Kollegin am Empfang fragen können, doch ich war ein Mann und unterließ dies.
Fast gleichzeitig mit Gerhard traf ich im Besprechungsraum ein. Jutta wartete bereits mit einem Stapel Papier in der Hand, um die Sitzung eröffnen zu können. Jutta Wagner war unsere gute Seele. Dennoch war die rot gefärbte Vierzigjährige bekannt für ihre sachlich und wiederholungsfrei geführten Sitzungen. Ihr hatten wir es zu verdanken, dass wir uns in den Diskussionen nicht verzettelten und kein Rad ein zweites Mal erfanden. Kollege Jürgen, bedeutend jünger als Jutta und heimlich für sie schwärmend, war ebenfalls anwesend. Er war unser Berufsfettnäpfchentreter. So auch heute, als er Gerhard ansprach: »Na Gerhard, hast du deinen Erziehungsurlaub schon beantragt?«
Gerhard schaute ihn böse an, seine Gesichtszüge wurden plötzlich ernst. »Misch dich nicht in die Angelegenheiten erwachsener Personen ein, sonst rede ich mal mit deiner Mama!«
Jutta und ich wussten nicht, ob das als Scherz aufzufassen war, deshalb unterließen wir es vorsichtshalber zu lachen.
Mit einer leeren Tasse in der Hand blickte ich mich suchend um. Jutta entging nichts. »Ich muss dich enttäuschen Reiner, unsere Maschine wird gerade entkalkt. Diesmal kann ich dir leider keinen Sekundentod anbieten.«
Schicksalsergeben setzte ich die leere Tasse ab. Zu meiner Rettung reichte mir Jutta aber ein Glas und eine Flasche Mineralwasser rüber. »Selbstverständlich stilles Wasser, ich kenne euch Männer schließlich«, kommentierte sie meine Rettung vor dem Verdursten. »Nachdem wir mittlerweile alle hier sind, können wir ja anfangen«, stellte Jutta fest. »Gerhard, fängst du mit deinem Bericht an?«
Gerhard, aus seinen Gedanken gerissen, setzte sich gerade hin und nickte. »Aye, aye, Frau Admiral! Die Spurensicherung hat ihre Arbeit in der Praxis beendet, bis jetzt konnte weder dort noch am Tatort etwas Verwertbares gefunden werden. Frau Dipper war heute Morgen nach wie vor nicht ansprechbar, allerdings wurde mir vor einer Viertelstunde telefonisch mitgeteilt, dass sie das Krankenhaus auf eigenes Risiko verlassen hat.«
»Hältst du es für möglich, dass sie mich heute noch empfängt?«, mischte ich mich ein.
»Keine Ahnung, Reiner, wie sie den Tod ihres Mannes verkraftet hat. Sie gilt aber als resolute Draufgängerin.«
»Okay, ich werde das Risiko eingehen und nachher zu ihr fahren.«
»Damit wäre das geklärt«, ergänzte Jutta. »Zeugen haben sich bis jetzt keine gemeldet. Mal abgesehen von Hagen, dessen Zuverlässigkeit ich aber bezweifle. Dennoch sollten wir ihn uns näher anschauen. Jürgen, würdest du das übernehmen?«
»Na klar, Jutta, dir tue ich doch jeden Gefallen. Falls du mitfahren möchtest, brauchst du es bloß zu sagen.«
Jutta rümpfte ihren Nasenrücken wie ein Kaninchen und antwortete: »Nein, danke, du kannst aber gerne deine Mama mitnehmen.«
Jürgen war uns niemals böse, wenn wir ihn damit aufzogen, dass er bis heute zu Hause bei seiner Mutter wohnte.
»Die Unterlagen zum Tod des kleinen Jakobs müssen wir ebenfalls noch zusammentragen. Es steht bisher nur fest, dass
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