Schwarzkittel
hatte ich den Hörer am Ohr.
»Hallo, Stefanie, nett dass du anrufst«, flötete ich ins Telefon.
»Hallo, Reiner, das ist ja neuer Rekord!«, begeisterte sich meine Frau.
»Wie bitte? Das muss ich jetzt aber nicht verstehen, oder?«
Sie lachte. »Ne, musst du nicht. Ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich dich anrufe und du sofort in der Leitung bist.«
Oh oh, daher wehte also der Wind. Hatte sie mich nur angerufen, um mich zu kritisieren?
»Was ist mit dir los, Stefanie? Habe ich einen wichtigen Termin vergessen?«
Sie lachte schon wieder. Es schien also nicht so schlimm zu sein.
»Bis jetzt nicht. Aber was nicht ist, kann noch werden. Bei dir weiß man das nie.«
»Aber jetzt hör mal, Stefanie –«
»Ist schon gut, Reiner, ich wollte dich nur ein wenig ärgern. Im Ernst, hast du morgen Abend ein wenig Zeit für mich? Ich würde gerne die Herbstwoche mit dir durchsprechen. Besonders, was die Kinder betrifft. Ich gehe davon aus, dass in der Küche nach wie vor alles funktioniert?«
»Ja, in der Küche ist alles bestens, und ich werde ausschließlich gesunde Sachen kaufen, okay?«
»Sei doch nicht gleich beleidigt, ich meins nur gut.«
»Okay, selbstverständlich kannst du morgen Abend kommen, ich freue mich«, versprach ich leichtfertig. Das wird sich wohl noch einplanen lassen. »Um welche Uhrzeit gedenkst du einzutrudeln?«
»So gegen 18 Uhr, wenns dir recht ist. Die Kinder sind solange bei Freunden untergebracht.«
Ich unterhielt mich noch eine Weile mit meiner Frau, bevor ich zufrieden auflegte. Sofort trug ich den Termin in meinen Kalender ein. Oben drüber schrieb ich ›Einkaufen‹. Ich ging nicht davon aus, dass Stefanie meine überreifen Bananen essen wollte.
Glücklich schaute ich auf meinen Schreibtisch, bis mich die Gegenwart wieder eingeholt hatte. Dort lagen nach wie vor ein paar interne Umlauf- und Bearbeitungsmappen der letzten Woche sowie zwei oder drei mit ›Vertraulich‹ gekennzeichnete Briefe. Als würde ich an einer Papierallergie leiden, ließ ich alles einfach liegen und stand auf. Am Empfang gab ich bekannt, dass ich auf Dienstfahrt nach Haßloch unterwegs sei. Auf meinen Wagen zulaufend, fiel mir schon wieder eine Unstimmigkeit auf. Diesmal sah ich es gleich: Eine Radkappe war verschwunden. Klar, natürlich die des Reifens, den ich vorhin wechseln durfte. Wahrscheinlich hatte ich sie nicht fest genug auf den Felgenfalz gedrückt. Egal, ich fuhr heim.
6.Elli Dipper schluckt tabletten
Zu Hause angekommen, zog ich eine gewaltige Papierflut aus meinem Briefkasten. Zwischen Gratiswochenblättern und Werbebriefen in allen Farben und Größen konnte ich immerhin einen privaten Brief entdecken. Die restlichen zwei bis drei Kilogramm Papier stopfte ich sofort in den Recyclingsack. Seit mir ein Kollege empfohlen hatte, mich auf eine sogenannte ›Robinsonliste‹ setzen zu lassen, wurde ich das Gefühl nicht los, ein indirekter Hauptabnehmer deutscher Druckereien zu sein. Die Papierpreise schienen sich in den letzten Jahren umgekehrt proportional zu den Benzinpreisen entwickelt zu haben. Doch wenn meine Kollegen erzählten, dass sie wieder eine halbe Stunde Spam-E-Mails an ihren privaten Computern löschen mussten, konnte ich zufrieden sein. Wenigstens dies blieb mir vorerst erspart. Mein Uralt-PC besaß zwar einen ISDN -Internetzugang, eine E-Mail-Adresse hatte ich aber bis heute nicht gebraucht.
Ich öffnete den übrig gebliebenen Brief. Bauträger Friederich Gregor stand als Absender groß in der Überschrift. Das Unternehmen stellte sich in dem Brief kurz vor und erklärte, demnächst mit dem Bau eines Hauses, dessen Grundstück an meinen Garten angrenzte, beginnen zu wollen. Gleichzeitig wurde um Verständnis für eventuelle Lärmbelästigungen gebeten. Der genannte Baubeginn, startend mit dem Kelleraushub, ließ mich aufhorchen. Ich schaute kurz auf den Wandkalender und stellte resigniert fest, dass es sich um die erste Woche der Herbstferien handelte. Prima, Stefanie und die Kinder kommen zu Besuch und werden dafür mit tagelangen Baggergeräuschen belohnt. Ich pfefferte den Brief auf den Wohnzimmertisch und ging auf die Toilette.
Anschließend wollte ich mich auf den Weg zu Elli Dipper machen. Ich hatte es bereits fast bis zu meinem Auto geschafft, da bahnte sich schon die nächste Katastrophe an. Wieder mal würde mir meine Nachbarin, Frau Ackermann, wertvolle Lebenszeit durch ihre nicht enden wollenden Monologe stehlen.
»Hallo, Herr Palzki, gut dass ich Sie
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