- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
ihn unwillig an. »Wissen Sie nicht mehr, was damals los war? Die Katastrophe lähmte alles. Niemand begriff, wie es dazu hatte kommen können, und die Angst vor dem nächsten Anschlag war fast schon greifbar. Die Menschen trauten sich nicht mehr aus dem Haus, jeder verdächtigte jeden. Die Spekulationen drohten, außer Kontrolle zu geraten. Ich hatte keine andere Wahl, als den Täter zu präsentieren und den Frieden wiederherzustellen.« Und es hatte funktioniert, erinnerte sich Stephans, bei ihm wie bei allen anderen.
»Trotzdem hätten Sie die dürftige Quellenlage öffentlich machen müssen.«
»Und dann? Ich war im Begriff, die Sicherheit Deutschlands auf ein nie gekanntes Niveau zu heben. Wenn in dieser Phase der blamable Datenverlust bekannt geworden wäre, wäre der Schatten auch auf mich gefallen, ungeachtet dessen, dass ich nicht dafür verantwortlich war. So funktioniert die Politik nun mal. Wenn etwas schief geht, kriegen die Mächtigen die Schuld. Und ich konnte es mir nicht leisten, das Schwarzspeichergesetz in Gefahr zu bringen. Das ganze Land hätte den Schaden zu tragen gehabt.«
»Und das konnten Sie unter keinen Umständen zulassen.«
»Den Sarkasmus können Sie sich sparen. In den vergangenen drei Jahren ist es weder Ephraim noch irgendeinem anderen Terroristen gelungen, einem Deutschen auch nur ein Haar zu krümmen. Der Erfolg gibt mir recht, verstehen Sie? Der Erfolg gibt mir recht.« Es klang beinahe flehend.
»Warum erzählen Sie mir das alles?«, wollte Stephans wissen.
Westphal fuhr sich über das Gesicht. Er wirkte unendlich müde. »Ich hatte den anstrengendsten Tag seit Jahren, und Sie hatten das Glück – oder das Pech –, zufällig in der Nähe zu sein.«
Stephans glaubte zu verstehen, was in Westphal vorging. Es ging ihm nicht darum, dass ihm jemand zuhörte. Er wollte die Absolution, er wollte hören, dass er richtig gehandelt hatte. Stephans begriff, wie tief Mephs Anschuldigungen den Minister wirklich getroffen hatten. Aber das war nicht die ganze Wahrheit. Westphals schwacher Moment war vorbei gewesen, als er seine verschlüsselte Datei gelöscht hatte. Darüber hinaus war er kein Mensch, der aus einer Gefühlsregung heraus Staatsgeheimnisse der obersten Kategorie preisgab, ganz egal, wie schmerzhaft sie war.
»Herr Westphal, darf ich ehrlich zu Ihnen sein? Ich glaube, Sie haben mich mit voller Absicht ins Vertrauen gezogen. Vielleicht hätten Sie lieber einen anderen Ort und einen anderen Zeitpunkt ausgewählt, aber Sie hätten es auch dann getan, wenn Meph Sie nicht zum Duell gefordert hätte.«
»Interessant«, erwiderte Westphal bedächtig. »Und warum tue ich das Ihrer Meinung nach?«
»Ich habe einen Verdacht. Sie haben mehr getan, als mir bloß die Zusammenhänge zu erläutern. Sie haben sich mir erklärt. Sie haben um mein Verständnis geworben und sich als Idealist dargestellt. Es ist kein Geheimnis, dass auch ich mich dafür halte. Ihre ganze Geschichte läuft darauf hinaus, dass wir uns ähnlicher sind, als ich dachte, und diese Stoßrichtung kann letztlich nur eins bedeuten.« Stephans stutzte. Er hatte seinen Gedanken freien Lauf gelassen, ohne zu wissen, auf welche Schlussfolgerung sie hinauslaufen würden.
»Sprechen Sie weiter.«
»Das ist Unsinn. Sie haben doch längst einen Kronprinzen.«
Westphal zog die Augenbrauen hoch. Es wirkte beinahe schelmisch. »Ich mache niemanden zu meinem Nachfolger, der vom Siemens-Chrome geschmiert wird.«
Stephans hatte gedacht, ihn könne heute nichts mehr erschüttern, aber er hatte sich schon wieder getäuscht. »Littek wird was?!«
»Dachten Sie ernstlich, die haben niemanden in mein Ministerium eingeschleust? Das Schwarzspeichergesetz ist für das Konsortium eine Lizenz zum Gelddrucken. Natürlich sind die Bosse daran interessiert, dass es so bleibt, und darum geben sie sich jede erdenkliche Mühe, über interne Vorgänge informiert zu sein. Sie wollen wissen, was ich denke und plane, damit sie auf meine Entscheidungen Einfluss nehmen können. Littek ist einer ihrer Informanten. Der wichtigste, aber bei Weitem nicht der einzige. Auch Sie hatte ich anfangs in Verdacht.«
»Sie wissen, dass Littek korrupt ist, und lassen ihn im Amt?«
»Er leistet gute Arbeit. Und was wäre Ihnen an meiner Stelle lieber – ein Spion, von dem Sie wissen, oder einer, den Sie nicht kennen?«
»Sie decken einen Straftäter. Das ist Beihilfe.«
Westphal schürzte die Lippen. »Wissen Sie, was Ihr Problem ist, Stephans? Sie
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