- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
Westphal einen Vorwand liefern, um ihn loszuwerden. Oder litt er nun auch schon unter Verfolgungswahn?
Am Ende siegte die Neugier. Stephans lenkte den Wagen an den Straßenrand und durchsuchte Westphals Pod. Er beschränkte sich auf einen oberflächlichen Scan; zum Teil, weil ihm der Besitzer über die Schulter sehen konnte, aber vor allem deshalb, weil Westphal immer noch Westphal war. Seine derzeitige Schwäche würde nicht von Dauer sein, und danach würde er sich an alles erinnern, was Stephans getan oder nicht getan hatte.
Westphals Pod wies die Standardoberfläche auf. Die Icons lagen pixelgenau in Reih und Glied, und die Sortierung der Dateien war ebenso gewissenhaft wie fantasielos. Die Kommunikationsliste zeigte ein gutes Dutzend entgangener Anrufe, alle von Littek. Es gab ein Verzeichnis namens »Memoiren«, Rezepte für verschiedene Schmerzmittel und eine Handvoll privater Bilder, die Westphal mit seiner geschiedenen Frau zeigten und die Fenningers Verdacht bekräftigten, dass der Minister nicht nur im Dienst, sondern rund um die Uhr einen Stock im Arsch hatte. Nur eine einzelne Textdatei erregte Stephans professionelle Aufmerksamkeit. Sie enthielt eine zufällige alphanumerische Zeichenfolge mit acht Stellen.
»Was ist das?«, fragte er.
»Nichts von Bedeutung«, erwiderte Westphal einen Hauch zu bestimmt. Die Datei schien ihm unangenehm zu sein, so als hätte er bis eben vergessen, dass es sie gab.
»Das sieht aus wie ein Passwort.«
»Die Datei tut nichts zur Sache.«
»Aber wenn Meph …«
»Wenn Sie es nicht wissen, weiß Effenberger es auch nicht. Und selbst wenn er es wüsste, könnte er nichts damit anfangen.«
»Wenn Sie das sagen.« Stephans wollte das Pad zuklappen und die Sache beenden, als ihm eine weitere Datei auffiel, deren Icon ein Vorhängeschloss darstellte. Es war lange her, dass er eine verschlüsselte Datei gesehen hatte. Er tippte das Icon an und wurde aufgefordert, ein Passwort einzugeben. Er versuchte es mit dem achtstelligen Zeichencode von eben und hatte keinen Erfolg.
Westphal nahm ihm das Pad aus der Hand. »Das reicht jetzt.«
»Kryptografie steht unter Strafe«, sagte Stephans. »Aber das wissen Sie natürlich besser als ich.«
»Diese Datei ist … Ihr Inhalt ist privater Natur. Ich ziehe es vor, ihn nicht zu teilen. Nicht einmal mit meinen Datendrohnen.«
»Sie stellen sich über Ihr eigenes Gesetz?«
Stephans rechnete damit, dass Westphal ihm über den Mund fahren würde. Stattdessen blickte der Minister lange Zeit hinaus ins Dunkle. Die Scheibe spiegelte sein verzerrtes Gesicht wider. Es sah aus wie ein Ertrunkener auf dem Grund eines Sees.
Westphal drehte sich wieder um. Mit einem Fingerdruck löschte er die Datei, mit einem weiteren leerte er den Papierkorb und machte den Löschvorgang endgültig. Westphal loggte sich aus und gab das Siemens seinem Besitzer zurück. »Zufrieden?«
Stephans zuckte mit den Achseln. »Kommt es darauf an?«
»Im Moment ja. Aber werden Sie deswegen nicht sentimental, es geht nicht um Sie. Es ist bloß niemand anders hier.«
»Dann tun Sie das alles für Ihr Publikum? Weil Sie geliebt werden wollen?«
»Unsinn. Effenberger ist nicht der Erste, der behauptet, ich wolle mich zum Diktator aufschwingen oder was diesen Spinnern sonst noch einfällt. Aber das ist falsch. Das ist es immer gewesen.«
Stephans tat Westphal den Gefallen und stellte die richtige Frage. »Warum dann?«
»Weil es richtig ist.«
Wieder schien Westphal eine bestimmte Reaktion zu erwarten, aber diesmal hüllte Stephans sich in Schweigen. Der Minister legte die Stirn in Falten. »Sie denken, er hat recht?«
»Womit?«
»Damit, dass ich die Wahrheit unter Verschluss halte?«
»Halten Sie sie denn unter Verschluss?«
»Ich bin Informationskooperationsminister. Es liegt in der Natur meines Amtes, dass ich weniger Daten weitergebe, als mir vorliegen.«
»So wie bei den Ephraim-Dateien?«, bemerkte Stephans »Die paar Informationshäppchen, die Sie mir vorgeworfen haben, enthalten nichts von Bedeutung.«
»Sie denken also, ich enthalte Ihnen die wesentlichen Informationen vor?«
»Tun Sie es denn?«
»Hören Sie auf damit, meine Fragen mit Gegenfragen zu beantworten. Dies ist kein Verhör. Wenn Sie etwas zu sagen haben, dann sagen Sie es.«
Der Kommissar nickte. »Also gut. Die Dateien, die mir zu Ephraim vorliegen, sind ein Witz. Sie sind die Spitze des Eisbergs, wenn überhaupt. Littek weiß mehr, oder zumindest weiß er, dass er nicht alles weiß.
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