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- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

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Titel: - Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Radloff
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auch, und im Gegensatz zu dir werde ich sie mit der ganzen Welt teilen.«
    Bald kenne ich sie auch …
    In diesem Moment begriff Stephans, was er übersehen hatte. Meph hatte über Jahre hinweg Compadre benutzt, ein Programm, das Direktverbindungen zwischen zwei Pads herstellen konnte. Auszulösen durch einen Druck auf den Fingersensor.
    »Ausschalten!«
    Er rannte los. An Westphals Siemens flackerte die Anzeige für die Netzwerktätigkeit so schnell, dass es aussah, als leuchte sie durchgehend. »Schalten Sie es aus!«
    Stephans katapultierte seine einhundertundzwölf Kilo auf die Bühne. Auf den Monitoren sah er sich selbst ins Bild stürmen, die Pistole in der Rechten und die Augen geweitet. Westphal rief etwas, aber seine Worte und Giannas spitzer Schrei gingen im Geräusch der Schüsse unter.
    Die erste Kugel streifte das Pad und verspritzte Plastik und Platinentrümmer. Dann war Stephans heran und versenkte aus nächster Nähe zwei Schüsse in das Siemens. Mit dem Lauf der Waffe fegte er es vom Tisch und zertrampelte es, bis in den rauchenden Trümmern nichts mehr leuchten konnte.
    Es war still wie in einem Funkloch. Ganz langsam dämmerte Stephans, dass er soeben eine Livesendung mit einer Waffe in der Hand gestürmt hatte. Doch im Vergleich zu dem, was wirklich geschehen war, handelte es sich dabei um eine Bagatelle.
    Meph hatte eine Direktverbindung zu Westphals Pad aufgebaut, auf dessen Onlinefestplatte zugegriffen und die persönlichen Dateien des Ministers kopiert.

    Regen klopfte mit weichen Fingern auf Wagendach und -scheiben. Die Straßen der Hauptstadt waren leergefegt. Nur dann und wann passierten sie ein Blaulicht oder einen Wagen der Ritter AG. Kein Zivilist traute sich in dieser Nacht auf die Straße, nicht nach dem, was gerade geschehen war.
    Stephans war aus dem Studio geflohen, bevor Littek oder jemand anderes ihn in Beschlag nehmen konnte. Er erreichte sein Auto halbwegs trocken, denn er hatte im Halteverbot neben dem Haupteingang geparkt. Gerade wischte er die beschlagenen Scheiben sauber, als Westphal aus dem Sendezentrum kam. Von seiner üblichen Beherrschung war nichts zu sehen. Mephs Coup musste ihn schwer erschüttert haben. Hinter ihm kam Gianna herangelaufen, eine Stereokamera vor dem Gesicht. Für sie musste soeben ein Traum in Erfüllung gehen.
    Stephans nahm an, dass die Story von Westphals erster Niederlage der Heilige Gral des deutschen Journalismus sein musste. Vermutlich war es sogar Giannas Pflicht, den Minister nicht entkommen zu lassen. Dennoch stoppte Stephans seinen Audi vor Westphals Füßen und stieß die Beifahrertür auf. Sie fuhren im selben Moment los, in dem Giannas Fingernägel an die Scheibe schlugen.
    Seitdem steuerte Stephans den Wagen durch die Nacht, ohne Ziel und ohne zu reden. Westphal saß mit geschlossenen Augen da, und seine Pupillen bewegten sich unter den Lidern.
    Irgendwann räusperte er sich. »Wo sind wir?« Es waren die ersten Worte, die seit ihrer Abfahrt ausgesprochen wurden.
    »Ich weiß es nicht.« Stephans warf einen Blick aufs Navpad. Sie fuhren durch den Osten der Stadt. Die nächste rechts, und sie waren auf dem Weg zum Verhörzentrum IV.
    »Fahren Sie mich zum Ministerium«, bat Westphal. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Aber lassen Sie sich Zeit.«
    »Wie Sie wünschen.« Stephans schaltete das Navpad aus und orientierte sich grob an dem Turm aus Licht, der in der Stadtmitte aufragte. Der Anblick erinnerte ihn daran, dass Leuchttürme ursprünglich dazu gedient hatten, Schiffen den Weg zu weisen. Doch seit es GPS und ubiquitären Netzempfang gab, bestand Navigation darin, eingeblendeten Pfeilen zu folgen, und der Leuchtturm von Berlin wies den Menschen nur noch eine Richtung: zurück in ihre Häuser.
    Stephans räusperte sich. »Herr Westphal, darf ich Sie fragen, welche Daten Meph von Ihrem Pod gezogen hat?«
    »Nichts von Belang«, antwortete der Minister nach kurzem Zögern.
    »Sind Sie sicher?«
    »Sie glauben mir nicht?«
    Stephans gab keine Antwort.
    Westphal reagierte mit einem zornigen Schnauben. »Geben Sie mir Ihr Pad!« Er legte vorsichtig die Fingerkuppe auf den Sensor von Stephans Siemens. Ein leises Ping ertönte, als der Log-in abgeschlossen war. »Überzeugen Sie sich selbst.«
    Stephans zögerte, nach dem Pad zu greifen. Wie ernst war das Angebot gemeint? Enthielt das Schwarzspeichergesetz einen Paragrafen, der den Zugriff auf die Daten des Ministers unter Strafe stellte? Wenn Stephans akzeptierte, würde er

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