- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
blicken nicht über den Tellerrand. Es ist nicht meine Schuld, dass es ohne einen mächtigen Partner aus der Industrie unmöglich ist, auf die Schnelle 90 Millionen Onlinefestplatten bereitzustellen. Ich hätte gerne auf die marktwirtschaftlichen Verzerrungen verzichtet, aber sie waren unumgänglich. Der Machthunger des Konsortiums ist ein notwendiges Übel, um die Sicherheit aller zu garantieren.«
»Marktwirtschaftliche Verzerrungen? Sie haben den gesamten Podmarkt eingestampft. Dutzende von Unternehmen gingen bankrott, meins eingeschlossen. Ihr Schwarzspeichergesetz hat mich ruiniert!«
»Und heute fahren Sie Minister des Bundes in Ihrem Dienstwagen spazieren«, konterte Westphal. »Sie hätten es schlechter treffen können.«
»Vom Unternehmer zum Chauffeur? Ist es das, was Sie sich unter einer Karriere vorstellen?«
»Ihre Bitterkeit habe ich nicht verdient. Man hat versucht, mich zu kaufen, und glauben Sie mir, man hätte sich nicht lumpen lassen, aber ich habe alle Angebote ausgeschlagen. Nicht mit einem Cent habe ich persönlich vom Erfolg des Konsortiums profitiert.«
»Davon kann ich meine Schulden auch nicht tilgen«, knurrte Stephans.
»Genau diese engstirnige Haltung meine ich. Sie denken an sich und an Ihre Familie. Ich dagegen denke an alle Familien.«
Du kannst es dir leisten, dachte Stephans, du bist nämlich kinderlos und geschieden. Laut sagte er: »Liege ich denn mit meiner Vermutung richtig, dass Sie mich zu Ihrem Nachfolger aufbauen wollen?«
»Falls es so ist, sollten Sie versuchen, einen guten Eindruck bei mir zu hinterlassen. Effenberger zu fangen wäre ein Anfang.« Westphal saß kerzengerade da, und seine Augen glitzerten angriffslustig. Er hatte seine Maske wieder aufgesetzt, erkannte Stephans. Was hatte er erwartet?
Ernüchtert startete er den Wagen. »Ich fahre Sie zurück ins Ministerium.«
Während er beschleunigte, loggte er sich wieder auf seinem Pod ein. In der kurzen Zeit, in der er offline gewesen war, hatte er achtzehn neue Nachrichten empfangen. Die jüngste stammte von Fenninger. Die Betreffzeile lautete: »Ich weiß, wo er ist!!!«
»Wann, glauben Sie, werden Sie Effenberger gefunden haben?«, fragte Westphal.
Stephans klappte das Siemens zu und hoffte, dass ihm der Schreck in der Dunkelheit nicht anzusehen war. »Sie wissen ja, wie das ist. Ich tue mein Bestes.«
»Wer tut das nicht?« Westphal sah wieder hinaus in die Nacht.
Zentimeter für Zentimeter kroch Meph aus dem Bett. Er wagte kaum zu atmen aus Angst, Rebekka aufzuwecken. Als er die Tür ganz langsam hinter sich zuzog, kam er sich vor wie nach einem One-Night-Stand.
In der Küche zog er sich an und machte sich ans Werk. Puder und durchsichtiges Klebeband hatte er bereits tagsüber bereitgelegt, und ein Glas mit Rebekkas Fingerabdrücken stand auf der Spüle. Im zweiten Anlauf gelang es ihm, einen vollständigen Abdruck zu nehmen. Meph schnitt den Klebestreifen zurecht, befestigte ihn an seinem Zeigefinger und legte ihn auf den Sensor von Rebekkas Pad. Er hätte lieber das eGalaxy benutzt, aber dessen Fingersensor prüfte nicht nur den Abdruck selbst, sondern maß auch den Puls und den elektrischen Hautwiderstand. Wenn die Messwerte nicht im Rahmen derer von lebendem menschlichem Gewebe lagen, verweigerte es den Log-in. Rebekkas vorsintflutliches Siemens hingegen war nicht in der Lage, diesen simplen Betrug zu entdecken, und so war er schon nach wenigen Sekunden als Rebekka Meyer angemeldet. Insgesamt hatte es keine fünf Minuten gedauert, ihren Pod zu hacken.
Obwohl er wusste, dass es nicht klug war, tippte er als Erstes eine bestimmte Adresse ein. Eine ihm nur zu gut bekannte Tür erschien auf dem Bildschirm. Meph trat hindurch. Nur ein paar Minuten ... Meph trat hindurch.
Er hatte Glück, dass Rebekka nebenan hustete. Er riss sich los, und wenige Sekunden später war er wieder zurück und machte sich an die Arbeit.
Als Erstes besuchte er Rebekkas MyLife-Seite. Die Zeitspanne seit ihrem letzten Besuch betrug »N/A«, und das Postfach mit den gesendeten Nachrichten war leer. Er nahm sich ihre Browser-History vor. Running Meph tauchte mit diversen Unterseiten darin auf. Meph klickte sie durch, bis er auf ein Benutzerprofil stieß, das heute Nachmittag angelegt worden war. Rebekka hatte sich unter dem Namen Mephisto registriert. Meph erriet ihr Passwort beim ersten Versuch. Es lautete 1234 .
Er tippte auf »Gesendete Nachrichten« und wünschte sich einen Augenblick später, er hätte es nicht getan.
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