- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
haben?«
»Ich besitze Augen und Ohren, um zu sehen, was in diesem Land vor sich geht. In meinem Blog … liste ich eine Vielzahl von Beobachtungen auf, die meine Aussagen stützen.« Achatius redete hitzig und schnell. Nur dort, wo die Sprachalgorithmen die Adresse seiner Webseite automatisch herausschnitten, entstand eine Pause, die nicht in die Satzmelodie passte.
»Herr Achatius, ich muss Sie verwarnen«, schaltete sich Gianna ein. »Dies ist eine Livesendung im öffentlich-rechtlichen Netzfernsehen. Wir legen hier Wert auf Anstand und Höflichkeit. Herr Westphal, bitte entschuldigen Sie die Entgleisungen dieses ungestümen jungen Mannes. Wenn Sie das Gespräch lieber ohne ihn fortsetzen wollen …«
»Nein, nein, lassen Sie nur«, widersprach der Minister. »Ich halte es mit Voltaire, wissen Sie? Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mich dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.«
Als der Szenenapplaus des Ministers verklang, fuhr Achatius fort: »Sie können sich als Hüter der Freiheit gerieren, aber die Wahrheit ist, dass Sie sie im Namen der Sicherheit immer weiter einschränken. Die Stimmung in unserem Land ist geprägt von Angst. Der Grund dafür ist nicht Ephraim, sondern Ihr Schwarzspeichergesetz und das ganze Informationskontrollministerium.« (» Kooperations ministerium«, brummte Westphal.) »Ihre vermeintliche Sicherheit ist in Wirklichkeit das genaue Gegenteil. Jeder ist verdächtig. Die Menschen wagen sich nur noch in Panzerkleidung vor die Tür. Keiner traut mehr seinem Nachbarn, und sogar die Toiletten werden kameraüberwacht. Parallel dazu haben Sie mit dem Verbot von lokalen Speichermedien und der flächendeckenden Einführung der Pods die Infrastruktur für einen Schnüffelstaat geschaffen, der seinesgleichen sucht. Das IKM überwacht die Daten sämtlicher Bundesbürger. Sie haben Zugriff auf alle Informationen über jeden beliebigen Deutschen. Die wahre Gefahr droht nicht von Ephraim, sondern von Ihnen.«
Er schwieg erschöpft. Stephans hatte den Eindruck, dass Achatius lange darauf gewartet hatte, all das loszuwerden. Jetzt machte er denselben Eindruck wie ein Chirurg, der noch nicht weiß, ob sein Patient wieder aus der Narkose erwachen wird.
»Das sind eine Menge Anschuldigungen, die Sie da vorbringen«, sagte Westphal langsam. »Nein, lassen Sie nur, Frau Messina. Ich bin froh über die Gelegenheit, mit einigen seiner Irrtümer aufzuräumen. Herr Achatius, ich …«
»Irrtümer? Es sind kei…«
»Ich habe Sie ausreden lassen!«, schnitt der Minister ihm das Wort ab. »Nun gewähren Sie mir dieselbe Freundlichkeit, wenn ich bitten darf!«
Er sprach im Plauderton weiter, aber Achatius unterbrach ihn nicht noch einmal. »Ihnen unterläuft zum Beispiel ein gravierender Irrtum, wenn Sie behaupten, ich hätte die Pods eingeführt. Richtig ist, dass private Firmen Onlinefestplatten schon lange vor dem Anschlag anboten, und zwar mit großem Erfolg. Pods hätten lokalen Speicher auch ohne das Schwarzspeichergesetz abgelöst. Mein Gesetz hat diesen Trend lediglich beschleunigt.«
»Gleichzeitig räumt es Ihrer Behörde Zugang auf die gespeicherten Daten ein«, wandte Achatius ein. »Sie können jederzeit darauf zugreifen, ohne Spuren zu hinterlassen. Woher weiß ich, dass Sie sich vor der Sendung nicht meine Steuererklärung angesehen haben? Oder die Liste der Personen, mit denen ich in der letzten Zeit telefoniert habe?«
»Es ist gesetzlich geregelt, wann die Durchsuchung eines Pods gestattet ist und wann nicht. Abgesehen davon mutet derartige Kritik aus Ihrem Mund reichlich fragwürdig an. Niemand muss auf Ihren Pod zugreifen, um etwas über Sie zu erfahren. Sie geben doch alles freiwillig preis. Soll ich einmal aus Ihrem Weblog zitieren?« Westphal klappte sein Pad auf. »Zum Beispiel hier, ein Eintrag von Donnerstag: ›Heute kam eine Einladung zu Giannas Talkshow. Ein Streitgespräch mit Kruppstahl persönlich. Endlich kann ich diesem Demagogen live den Kopf waschen, und zwar vor dreißig Millionen Menschen.‹ Sie haben eine hohe Meinung von sich, meinen Sie nicht?«
Aus dem Publikum kamen Buhrufe und Gelächter. Gianna klatschte amüsiert in die Hände. Nur Achatius blieb still und bekam rote Flecken im Gesicht. Aber Westphal war noch nicht fertig mit ihm. »Vorhin hörte ich, wie Sie sich weigerten, Frau Messinas Frage zu beantworten. Das irritiert mich. Schließlich haben Sie längst öffentlich gemacht, was in Ihnen vorging, als Ihr Vater starb. Was schrieben
Weitere Kostenlose Bücher