- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
als der Minister den Blick übers Publikum schweifen ließ und die Lippen zu einem schmalen Lächeln verzog, beruhigte es sich. Gianna nutzte die Gelegenheit und ergriff das Wort. »Herzlich willkommen, Herr Westphal. Ich freue mich, dass Sie uns wieder einmal mit Ihrer Anwesenheit beehren.«
Und mit Ihrem Quotenschub, ergänzte Stephans in Gedanken.
»Vielen Dank, Frau Messina.«
»Herr Westphal, lassen Sie mich mit der Frage beginnen, die uns alle am meisten interessiert: Wann schnappen Sie endlich das Phantom, das Deutschland in Atem hält? Wann bringen Sie Ephraim hinter Schloss und Riegel?«
Westphals Stirn lag in Falten. Fenninger hatte Stephans einmal seine Theorie präsentiert, derzufolge der Minister sich nur ein einziges Mal in seinem Leben würde entspannen können, und dann für immer.
»Zum aktuellen Stand der Ermittlungen kann ich leider nichts sagen«, erklärte der Minister. »Ich darf Ihnen jedoch versichern, dass meine Mitarbeiter und ich alles in unserer Macht Stehende tun, um seiner habhaft zu werden.«
»Das weiß ich. Dennoch ist Ephraim auch nach drei Jahren noch auf freiem Fuß. Was entgegnen Sie den Menschen, die Angst um ihre Sicherheit haben?«
»Es gibt keinen akuten Grund zur Sorge. Gerne würde ich absoluten Schutz garantieren, aber das liegt leider nicht in meiner Macht. Niemand kann das. Dessen ungeachtet ist ein terroristischer Anschlag heute, anders als vor drei Jahren, kaum vorstellbar. Ihn durchzuführen ist praktisch unmöglich. Dafür sorgen nicht zuletzt die Gesetze, die der Bundestag seitdem verabschiedet hat und die unsere Sicherheit entscheidend verbessern.«
Sie berührte ihn am Arm. Ihr Nagellack war im gleichen Gelbton gehalten wie ihr Kleid. »Sie reden vom Schwarzspeichergesetz.«
»Unter anderem.« Westphal räusperte sich und griff nach seinem Wasserglas. Er hatte Mühe, es mit seiner versehrten Hand festzuhalten. Die Kamera schwenkte respektvoll zu Achatius, der mit zusammengezogenen Augenbrauen dasaß. Als sie zu Westphal zurückkehrte, waren die gelb lackierten Fingernägel von seinem Arm verschwunden. »Aber es ist das Schwarzspeichergesetz, das viele als zentral für die aktuelle Sicherheitspolitik unseres Landes bezeichnen.«
»Können Sie das unseren Zuschauern näher erläutern?«
»Gern. Das Schwarzspeichergesetz ist ein wichtiges Element in unserem Kampf gegen den Terror. Wie Sie wissen, sind die elektronische Datenverarbeitung und -speicherung aus der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken. Terroristen möchten sich das gerne zunutze machen. Indem wir Speicherkarten, Festplatten und jede andere Form von lokalem Datenspeicher aus dem Verkehr zogen, haben wir ihresgleichen die Möglichkeit genommen, Daten im Verborgenen zu sammeln. Hätte Ephraim, sagen wir, Informationen zur Statik des Fernsehturms auf seine persönliche Onlinefestplatte heruntergeladen, hätten wir diese abgefangen und wären rechtzeitig auf ihn aufmerksam geworden.«
»Ja, weil Ihre Behörde sämtliche Pods überwacht«, warf Achatius ungefragt ein.
»Mutiger Kerl«, merkte Conny an. Stephans gab ihr innerlich recht.
Die Kamera zeigte Westphal, der sich umständlich in seinem Sessel herumdrehte, bis er dem anderen ins Gesicht sehen konnte. »Herr Achatius. Sehen Sie mir bitte nach, dass ich Ihnen nicht die Hand reiche. Lassen Sie mich Ihnen dennoch mein ehrliches Beileid aussprechen. Ihr Verlust ist der von uns allen.«
Das Publikum raunte. Achatius murmelte ein verlegenes Dankeschön.
»Ich habe Ihren Vater gekannt und respektiert. Sein Tod hinterlässt eine Lücke, die nicht zu füllen ist.«
»Ach ja? Sie haben sie doch längst mit Ihren Marionetten gefüllt«, entgegnete Achatius.
Im Publikum sog jemand scharf die Luft ein. Das war nicht mutig, dachte Stephans, sondern dumm.
»Ich kann Ihnen nicht folgen«, erwiderte Westphal gelassen.
»Nehmen wir das Bundesverfassungsgericht. Nach dem Anschlag mussten zwei komplette Senate neu besetzt werden. Sie haben dafür gesorgt, dass zum großen Teil Richter ernannt wurden, die Ihnen wohl gesonnen sind. So konnten Sie sicher sein, dass alle Verfassungsklagen gegen Ihre Gesetze scheitern würden, obwohl es offensichtlich ist, dass sie nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren sind.«
»Sie wollen behaupten, die Mehrzahl der Bundesverfassungsrichter gehorche nicht ihrem Gewissen und ihrer Urteilskraft, sondern dem, was ich ihnen sage?« Westphal runzelte die Stirn. »Ich nehme an, dass Sie Beweise für diese Anschuldigungen
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