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- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

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Titel: - Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Radloff
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der durchschnittlicher aussah als alle, denen Stephans je begegnet war.
    Der Durchschnittsmann machte seinem weiblichen Pendant Platz. »Meine Kollegin macht manchmal seltsame Bemerkungen. Ich glaube, sie sympathisiert mit dem Terror. Wer kann mir helfen?« Schließlich eine tiefe, Vertrauen erweckende Stimme aus dem Off: »Die Antiterrorhotline des Bundesministeriums für Information und Kooperation. Jederzeit erreichbar über den Hotline-Button an Ihrem Pad. Vergessen Sie nicht: Sie sind gesetzlich zur Mithilfe verpflichtet – denn Schweigen gefährdet Leben.«
    Bei diesen Worten blitzte für den Bruchteil einer Sekunde das Bild des fallenden Funkturms auf, fast zu kurz, um es bewusst wahrzunehmen, aber nur fast. Es wurde von den Kontaktdaten und dem Logo des IKM abgelöst: Helm und Schild, deren Umrisse den Grenzen Deutschlands nachempfunden waren.
    Üblicherweise war die finale Botschaft eines Werbespots eine gute Sekunde lang zu sehen, bevor der nächste Spot begann, doch Helm und Schild verschwanden nicht, sondern prangten auf dem Bildschirm, als wollten sie für immer das Wohnzimmer beherrschen. Der letzte Satz hallte nach wie verklingender Donner: Denn Schweigen gefährdet Leben. Conny räusperte sich, und Stephans musste an sich halten, um nicht auf dem Sofa hin und her zu rutschen. Wenn sie noch Uhren mit Zeigern besessen hätten, sie hätten sie ticken gehört.
    Endlich wechselte das Bild, und die ersten Töne der Titelmelodie von Gianna und Gäste ertönten. Stephans atmete auf. Dass er wusste, wie die Psychotricks funktionierten, änderte nichts an der Tatsache, dass sie auch bei ihm wirkten.
    Gianna trug heute ein sonnenblumengelbes, mit Kevlar verstärktes Kleid, das seine Schutzwirkung grob verfehlte, indem es die lebenswichtige Stelle über dem Herzen freiließ. Als ihren ersten Gast kündigte sie einen kritischen Blogger an und vollbrachte dabei das Kunststück, während der sechs Sätze umfassenden Anmoderation zweimal die Beine zu überkreuzen. Entlang der Ränder der Projektion liefen Terrorschlagzeilen, Werbung für Panzerglashersteller und die Nummern der Gefahrenhotlines.
    Der Gast war ein junger Mann mit dunklen Haaren, verlegenem Lächeln und einem Anzug, bei dem Stephans erwartete, noch das Preisschild daran hängen zu sehen. Seinen Applaus konnte man mit viel gutem Willen verhalten nennen. Gianna stellte ihn als Werner Achatius vor, ein Name, der Stephans irgendwie bekannt vorkam.
    »Werner – ich darf doch Werner sagen –, viele unserer Zuschauer werden Ihren Namen kennen«, begann sie. Ihre Stimme klang nach verrauchter Eckkneipe und Italo-Pop. »Ihr Vater war Professor Harald Achatius, der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Er wurde vor drei Jahren von Ephraim getötet. Es muss schrecklich für Sie gewesen sein, immerhin waren Sie damals erst … wie alt waren Sie?«
    »Einundzwanzig. Mein Vater …«
    »So jung! Sie Armer. Sie müssen am Boden zerstört gewesen sein, als Sie die Nachricht erhielten, nicht wahr?« Sie legte ihm die Hand auf den Arm und ließ ihre perfekten Zähne aufblitzen, wie es nur ehemalige Supermodels können. Achatius zuckte zusammen. Neben Gianna Messina wirkte er wie ein pubertierender Jüngling in der Tanzstunde.
    »Äh … Natürlich, ja. Wissen Sie, es war ja nicht nur mein Vater, der damals ums Leben kam. Vierzehn seiner Kollegen hielten sich mit ihm im Turm auf. Viele hatten ihre Familie dabei. Ich musste um sie alle trauern.«
    »Ich verstehe. Das muss schrecklich für Sie gewesen sein. Haben Sie Gott verflucht, dass er während der Geburtstagsfeier Ihres Vaters ein solches Blutbad geschehen ließ?«
    Achatius zögerte. »Ich weiß nicht, ob das eine Frage ist, die …«
    »Nur keine Angst vor der Wahrheit.« Gianna beugte sich so weit zu ihm hinüber, dass er ihren Atem auf seinen Lippen spüren musste. »Lassen Sie es einfach heraus. Sie waren jung. Jeder wird Sie verstehen.«
    Er sah alarmiert nach links und rechts. »Also, ich … ich weiß wirklich nicht … Ich dachte, ich bin hier, um über das Schwarzspeichergesetz zu reden.« Mit einer sichtbaren Willensanstrengung befreite er seinen Arm und wich so weit zurück, wie es der Sessel erlaubte.
    Gianna ließ sich nichts anmerken. Mit den Worten »Worüber sollten Sie denn sonst reden wollen?« rückte sie ihr Dekolleté zurecht. Unter dem Blick, mit dem sie ihren Gast streifte, zuckte er abermals zusammen.
    »Herr Achatius, Sie beschäftigen sich schon länger mit diesem Thema,

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