Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

Titel: - Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Radloff
Vom Netzwerk:
hatte. Die Informationen, mit denen Westphal im Fernsehen diesen Blogger vorgeführt hatte, stammten nicht aus einer offenen Netzsuche. Jemand aus dem IKM hatte sie auf Achatius‘ Pod gefunden. Vielleicht war es Fenninger selbst gewesen.
    »Sieh nicht so verkniffen drein«, versuchte der Aktenschaufler, ihn aufzumuntern. »Prinzipien machen Falten.«
    »Du hast also kein komisches Gefühl dabei, in anderer Leute Pods herumzuschnüffeln?«
    »Das hier ist das IKM. Die Sicherheit der Nation liegt in unseren Händen. Sollen wir uns eine davon auf den Rücken binden?«
    »Das IKM steht nicht über dem Gesetz.«
    Fenninger legte den Kopf schief. »Wieso tust du eigentlich die ganze Zeit so, als wären Podscans illegal?«
    »Vielleicht, weil sie es sind?«
    »Du liest wohl keine Dienstvorschriften.« Fenninger griff nach seinem Siemens. Als er gefunden hatte, was er suchte, hielt er es Stephans entgegen. »Hier. Das wird dein Gewissen entlasten.«
    Der Projektor zeigte die Dienstvorschrift DV/438i. Das »i«, so viel wusste Stephans, bedeutete »nur für den internen Gebrauch«. Die Vorschrift war kurz und in nüchternem Tonfall verfasst. Der entscheidende Satz lautete: »Es ist daher festzuhalten, dass das BSIG auch auf sogenannte ›Pods‹ (›Personal Online Drives‹) angewendet werden kann, wozu alle Ministeriumsangestellten ab sofort angehalten sind.«
    Stephans ließ das Siemens sinken. »Was zur Hölle ist das BSIG?«
    »Das ist das Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik oder so ähnlich. Seit Ende der Nullerjahre regelt es, was die Behörden in Netzangelegenheiten dürfen und was nicht. Zum Beispiel gestattet es, auf alle Daten zuzugreifen, die an den Kommunikationsschnittstellen des Bundes anfallen.«
    »Und? In den Nullerjahren gab es noch gar keine Pods.«
    »Als das Strafgesetzbuch entstand, gab es auch noch keine Mikrochips, aber du darfst trotzdem niemandem sein Pad klauen«, konterte Fenninger. »Vermutlich bezog sich das Gesetz zu Anfang auf E-Mails und Webseitenformulare, später dann auch auf IP-Telefonie, elektronisch signierte Dokumente und so weiter.«
    »Aber Pods sind keine Kommunikation, bloß Speicherplatz.«
    »Und das von dem Mann, der die Dinger selbst verkauft hat.« Fenninger lachte auf. »Ist dir eigentlich je aufgefallen, wie ironisch das alles ist? Westphals Schwarzspeichergesetz entzieht deiner Firma die Geschäftsgrundlage und treibt dich in den Bankrott. Und später stellt er dich als Kommissar ein. Man könnte meinen, er hat alles geplant.«
    »Wohl kaum«, brummte Stephans. »Was ist jetzt mit den Pods?«
    »Anscheinend muss ich es dir wirklich erklären. Also, die Speicherfarmen, auf denen alle deutschen Pods betrieben werden, gehören dem Siemens-Chrome-Konsortium. Dieses unterhält sie im Auftrag der Bundesregierung. Die Pods sind also gewissermaßen Staatsbesitz. Wenn du deinen Pod benutzt, greifst du also auf Daten zu, die auf einem staatlichen Server liegen. Du kommunizierst über eine Behördenschnittstelle, verstehst du? Alle Dateien, die sich auf deinem Pod befinden, fallen unter das BSI-Gesetz, und wir dürfen ganz legal darauf zugreifen.«
    Stephans konnte nicht anders, als anerkennend zu nicken. »Wer hätte gedacht, dass man ein Gesetz derart verdrehen kann? Ich wüsste zu gerne, wer für diesen perversen Geniestreich verantwortlich ist.« Er beantwortete seine Frage selbst, indem er auf dem Pad ganz nach unten scrollte, bis zum Namen desjenigen, der die Dienstvorschrift unterzeichnet hatte.
    »Littek. Das hätte ich mir denken können.«
    Drei Stockwerke tiefer stand Alfons Littek, 35 Jahre, ledig, Doktor der Betriebswirtschaftslehre und jüngster amtierender Staatssekretär, vor einer metallverkleideten Sicherheitstür. Das Computersystem hatte sich schon aus mehreren Metern Entfernung drahtlos mit seinem Dienstausweis verbunden und sichergestellt, dass er eine Sicherheitsberechtigung der Stufe Vier aufwies. Jetzt forderte es ihn mit einer angenehm modulierten Frauenstimme auf, den Zeigefinger auf die Sensorplatte zu legen. Hinter der Verschalung der Türsteuerung kontrollierten unsichtbare Prüfroutinen, dass Träger und Besitzer des Ausweises identisch waren. Nach einigen Sekunden gaben sie die Verriegelung frei. Littek schob die Tür auf und betrat die Leichenkammer.
    Bei ihr handelte es sich um einen bomben- und abhörsicheren Hochsicherheitstrakt, komplett mit lebenserhaltenden Systemen und einer eigenen Strom- und Netzversorgung.

Weitere Kostenlose Bücher