- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
weiß.«
Entsetzt starrte Meph die Waffe an. Sie war klobig und unscheinbar, der Minivan unter den nicht-letalen Waffen, und man sah ihr nicht an, welche Qualen sie verursachen konnte. Ein Aufkleber am Griff warnte vor Strahlungsemission bei unsachgemäßer Handhabung.
Wieder meldete sich der zweite Entführer. »Alles klar, die Aufzeichnung ist gelöscht. Aber …«
»Was denn noch?«
»Er ist ein Livestreamer.«
Der Anführer ballte die Faust. »Scheiße, netzverdammte. Du kleiner Terrorist machst mich allmählich wütend. Dafür kriegst du eine Extraladung. Auf Stufe 2!«
Panik erfasste Meph. Er bäumte sich in seinen Fesseln auf und zerkratzte sich Gesicht und Hände, ohne es zu merken. »Ich kooperiere doch!«, kreischte er und versprühte Speichel. »Ich kooperiere doch!« Dann warf sein Fleisch erneut Blasen.
Wenn ihm seine Muskeln gehorcht hätten, hätte er sich die Zunge abgebissen und gehofft, daran zu ersticken.
Weit, weit weg fiel ein Schuss. Eine unverzerrte Stimme rief: »Aufhören. Sofort!«
Die Schmerzen erloschen.
Es dauerte lange, bis Meph wieder klar denken konnte, und noch länger, bis er begriff, dass er noch am Leben war. Der Schuss war nicht der Gnadenschuss gewesen, um den er gebetet hatte, und die Erkenntnis trieb ihm Tränen der Verzweiflung ins Gesicht. Er lebte.
Sie konnten ihm wieder wehtun.
Meph hatte sich oft gefragt, warum die Polizisten in den Krimiserien ihren Gefangenen zu Beginn eines Verhörs die Handschellen abnahmen. Oft genug revanchierte der Befreite sich, indem er mit wirbelnden Fäusten auf seinen Wohltäter losging, was dann in einer Actionszene mündete. In der Serie ließ sich das Abnehmen der Handschellen dadurch rechtfertigen, dass die Dramaturgie nach einer solchen Szene verlangte, doch im echten Leben griff diese Begründung nicht, und so hatte Meph angenommen, richtige Polizisten wären schlau genug, die Fesseln dranzulassen. Als der IKM-Bulle ihn nun von den Handschellen befreite, verstand er, dass die Krimis doch nicht so weit von der Realität entfernt waren. Es war ein Akt der Menschlichkeit. Erst jetzt, als seine Hände nicht mehr auf den Rücken gefesselt waren, konnte er sich bequem hinsetzen und die Stelle an seinem Arm kratzen.
Im Übrigen hatte der Bulle ein Kreuz wie ein Space Marine. Sich auf ihn zu stürzen wäre selbst dann sinnlos gewesen, wenn Meph nicht in einer denkbar schlechten Verfassung gewesen wäre. Offenbar war erst dies der Punkt, in dem die Krimis von der Wirklichkeit abwichen.
Das Verhörzimmer kam der üblichen Darstellung dagegen recht nahe. Der fensterlose Raum war leer bis auf einen Tisch und zwei Stühle aus gebürstetem Metall. Die Wände waren unverputzt, die Tür hatte keine Klinke. Gegenüber von Meph nahm eine Metallplatte die halbe Wand ein. Das musste die moderne Variante des Einwegspiegels sein, hinter dem Kameras und Mikrofone jede seiner Regungen aufzeichneten und Spezialisten sein Verhalten analysierten. Das Metall warf Mephs Gestalt als verwaschenen Schemen zurück; verängstigt, gefangen, geduckt.
Der Mann vom IKM klopfte von innen an die Tür. Sie ging einen Spalt auf, und jemand reichte zwei Pappbecher hinein. Einen stellte der Bulle vor Meph ab, mit dem anderen setzte er sich ihm gegenüber. Sein Stuhl knarzte.
»Kaffee«, sagte er. »Mit Milch und Zucker.« Er löste den Plastikdeckel von seinem Becher. Der Duft erinnerte Meph daran, wie durstig und hungrig er war, aber er zog nur die Beine an und schlang die Arme darum.
Der Bulle zuckte die Achseln. Sein Jackett spannte unter der Bewegung. Er verdiente diese Bezeichnung wirklich. »Mein Name ist Kommissar Stephans. Ich gehöre zum Ministerium für Information und Kooperation und werde Ihnen einige Fragen stellen. Es ist wichtig, dass Sie diese offen und ehrlich beantworten. Haben Sie das verstanden?«
Meph nickte vorsichtig. Sein Blick wanderte zur Tür. Die Männer, die ihn entführt und gefoltert hatten, waren irgendwo da draußen, und das machte die Verhörzelle zu einer sicheren Zuflucht. Hier drin hatte er einen Beschützer. Es war Stephans gewesen, der sie gestoppt hatte. Meph erkannte an der Stimme.
Der Bulle beobachtete ihn. »Sie brauchen keine Angst zu haben. Das vorhin mit der Raygun … Es hätte nicht geschehen dürfen. Die Sache wird ein Nachspiel haben, dafür sorge ich.«
»Da… Danke«, krächzte Meph. Er hatte so laut geschrien, dass ihm das Sprechen Mühe bereitete.
Stephans zückte sein Pad. »Ihr Name ist Martin
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