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- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

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Titel: - Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Radloff
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irgendwo schon einmal gesehen zu haben. Sie hatte braune Haare, braune Augen und wäre hübsch gewesen, wenn sie nicht so streng zur Seite geschaut hätte.
    Meph richtete den Finger auf seine Beinahe-Mörderin und formte mit den Lippen das Wort »Peng.«
    »Sieht fies aus, oder?«, stellte Olli neben ihm fest. »Rambo mit Titten. Die lässt sich nichts vormachen.«
    »Das klingt, als fändest du sie cool.«
    »Du nicht? Sie hat etwas getan, anstatt auf eine Entscheidung von oben zu warten. Wenn es mehr von ihrer Sorte gäbe, könnte der Funkturm noch stehen.«
    »Sie hat mich fast umgebracht.«
    »Du sagst es. Fast.«
    Olli wollte den Clip erneut abspielen, aber Meph winkte ab. »Lass gut sein. Um was ich dich bitten wollte … Kannst du für ein paar Minuten die Kamera auf der Toilette ganz hinten abstellen?«
    Olli machte eine obszöne Geste. »Aber klar doch. Fühl dich ganz ungestört.«
    »Wenn ich es mir genau überlege, decke ich sie lieber selber ab.« Meph machte sich auf den Weg in Richtung Toiletten.
    »Müsste ich dich dafür nicht bei der Antiterrorhotline melden?«, rief Olli ihm hinterher. Es war als Scherz gemeint, aber ein Besucher des I-Cafés sah alarmiert auf und tastete mit der Hand nach der Notfalltaste seines Pads. Meph erschrak. Der Gamer ließ die Hand sinken, aber erst, als Olli ihm lachend zurief, dass alles in Ordnung war.
    »Musst du nicht weiter üben?«, rief Meph Olli zu und imitierte dessen anzügliche Handbewegung. »Du musst schneller schießen als deine Gegner, wenn du gewinnen willst!« Dann flüchtete er sich lachend in den Waschraum.

// / 6

    Wenn man vom Platz des 16. Oktober in südwestlicher Richtung losgeht, über die Spandauer Straße und die Spree hinweg, erreicht man nach etwa fünfhundert Metern den Schloßplatz. In den Tagen, als er noch Marx-Engels-Platz hieß, erhob sich hier ein spröder Kastenbau aus weißem Beton und orangefarbenem Glas. Der Palast der Republik war ein sogenanntes Volkshaus, das allen Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik gleichermaßen gehörte, und so war das Volk auch Eigentümer der vielen Tonnen Spritzasbest, die man in dem Bau aufgebracht hatte, wenngleich die gesundheitsschädigenden Eigenschaften von Asbest zum Zeitpunkt der Errichtung längst bekannt gewesen waren.
    Nach der Wiedervereinigung galt der Palast als unerwünschtes Relikt im Herzen Berlins; zu auffällig, um es übersehen zu können, und zu hässlich, um Freunde zu finden. Nach langen Debatten entschied man sich, das Scheusal abzureißen und das Stadtschloss wieder aufzubauen, dem der Platz seinen Namen verdankte.
    Dann kam der 16. Oktober.
    In den darauf folgenden Tagen wurde auf dem Platz ein Zeltlager mit Lazarett und Feldküche errichtet, in dem Polizei, Bundeswehr und Verfassungsschutz versorgt wurden, die auf dem Ground Zero die Trümmer untersuchten, Spuren sammelten und Leichenteile katalogisierten. Die traurige Arbeit dauerte acht Wochen. Noch während das Zeltlager abgebaut wurde, rückten die ersten Bagger an und begannen mit dem Bau des Bundesministeriums für Information und Kooperation. Obwohl die Kosten sich auf mehr als das Vierfache dessen beliefen, was für das Stadtschloss veranschlagt worden war, hatte man den Ministeriumsbau binnen eines Tages bewilligt. Vollendet wurde er in weniger als sechs Monaten.
    Im obersten der drei Stockwerke befand sich die Ermittlungsabteilung. Eine Etage darunter residierten der Planungsstab und ein Teil der Verwaltung. Der andere Teil fand sich im ersten Stock, ebenso wie das Callcenter, in dem die verschiedenen Hotlines und Meldesysteme koordiniert wurden, die deutschlandweit im Einsatz waren. Jeder Hinweis, jedes Verdachtsmoment, das aus dem Volk gemeldet wurde, lief in dieser Etage zusammen. Das Erdgeschoss schließlich gehörte den Datendrohnen, wie die Mitarbeiter der Informationsbeschaffung im IKM-Jargon genannt wurden.
    Das Untergeschoss war der einzige Teil des Gebäudes, der noch aus dem vorigen Jahrhundert stammte. Beim Abriss des Palasts der Republik waren die Keller erhalten geblieben, und jetzt beherbergten sie ein Rechenzentrum, das europaweit seinesgleichen suchte. Die genaue Rechenkapazität wurde geheim gehalten, aber man konnte sich eine Vorstellung davon machen, wenn man als Maßstab nahm, dass seit der Inbetriebnahme der Stromverbrauch von Berlin um zehn Prozent angestiegen war.
    Noch ein Stockwerk tiefer befand sich der Ort, den man im Ministerium »Leichenkammer« nannte.
    »Nein, ich werde mich

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