- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
Effenberger gefoltert wurde. Er liegt in meinem Kofferraum. Warum stellen Sie sich nicht einmal davor?«, bot Stephans an. »Ich wüsste zu gern, ob Sie dann immer noch von Unannehmlichkeiten reden.«
»Wie oft muss ich noch betonen, dass dem Gefährder nichts passiert ist? Das Einzige, was Schaden genommen hat, ist Ihr Urteilsvermögen. Anders kann ich mir nicht erklären, dass Sie jemanden laufen lassen, der mit Schattenmenschen in Verbindung steht.«
»Diese Verbindungen sind bestenfalls spekulativ. Von Effenberger geht keine Gefahr aus, also lassen Sie uns keinen Gefährder aus ihm machen.«
»Er hat einen Schwarzspeicher ins Land geschmuggelt!«, fuhr Littek auf. »Und Sie behaupten allen Ernstes, er sei kein Gefährder?«
»Der Kommissar hat recht«, warf Westphal ein.
Littek sah konsterniert auf. »Wie bitte?«
»Er hat recht«, wiederholte der Minister ruhig. »Das Verhalten des Extraktionsteams war grausam und unnötig. Es stünde Ihnen gut an, weniger leichtfertig damit umzugehen.«
Littek erbleichte ein wenig. »Leichtfertig? Das weise ich entschieden zurück. Ich habe den Fall gewissenhaft geprüft und festgestellt, dass die Gewaltanwendung zu jeder Zeit im Rahmen der Dienstvorschriften blieb.«
»Dann haben Ihre Dienstvorschriften also mehr Gewicht als Artikel 1 des Grundgesetzes?«
»Äh … Nein, natürlich nicht. Ich meine ja auch nur, dass diese Behörde für die Sicherheit des gesamten Landes verantwortlich ist. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Darüber hinaus sollten wir auch nicht vergessen, dass bloß ein Gefährder zu Schaden gekommen ist.«
»Bloß ein Gefährder?«, schnappte Westphal. »Wissen Sie überhaupt, was das bedeutet? Es ist eine statistische Einschätzung. Wir füttern ein Computerprogramm mit Daten und erhalten als Ergebnis die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person irgendwann in ihrem Leben terroristische Aktivitäten ausführen könnte. Über das individuelle Verhalten Einzelner sagt diese Zahl nicht das Geringste aus.«
»All das weiß ich, und …«
»Dann wissen Sie sicher auch, dass man nur das richtige Programm mit Ihren Daten zu füttern braucht, um auch Sie oder Stephans als Gefährder abzustempeln. Oder mich. Also haben Sie ein bisschen mehr Respekt, wenn ich bitten darf.«
»Jawohl, Herr Minister«, sagte Littek kleinlaut. Wenn er nicht so ein Arschloch gewesen wäre, hätte er Stephans beinahe leidgetan.
»Herr Westphal«, nahm er die Gelegenheit wahr, »darf ich fragen, was Sie nun zu tun gedenken?«
Westphal sah ihn an. »Sie dürfen.«
»Und was gedenken Sie zu tun?«
»Nichts.«
»Gar nichts?«
Westphal maß Stephans mit einem langen, steingrauen Blick, ehe er sagte: »Ich habe mich bereits darum gekümmert. Den Clip mit der Misshandlung kannte ich schon, bevor Sie eintrafen. Die drei Personen aus dem Extraktionsteam werden fristlos entlassen. Das IKM hat keine Verwendung für Folterknechte.«
Damit hatte Stephans nicht gerechnet. »Ich … Danke«, stotterte er. »Aber was ist mit den übrigen Ritter-Teams? Die Sache gestern war kein Einzelfall. Diese Typen haben ihr Opfer aufgezeichnet und den Clip ins Netz gestellt. Das tut keiner, der Angst hat, aufzufliegen. Wir sollten der Sache nachgehen. Werden Sie die Zusammenarbeit mit der Ritter AG aussetzen, bis die Missstände beseitigt sind?«
»Und wer soll so lange extrahieren? In dieser Sache gebe ich Littek recht: Wir können nicht einfach unseren gesamten Exekutivapparat lahmlegen. Zu viel steht auf dem Spiel.«
»Dann lassen Sie es auf sich beruhen?«
»Ich habe Ihren Verdacht zur Kenntnis genommen. Wenn es richtig und angemessen ist, werde ich weitere Schritte ergreifen.«
»Aber …«
»Wenn Ihnen das nicht genügt, Kommissar Stephans, dann steht es Ihnen frei, Ihre Kollegen aus der Ermittlung persönlich dazu anzuhalten, den Extraktionsteams stärker auf die Finger zu schauen. Das Thema ist beendet.«
Im Nebensessel sog Littek genüsslich die Luft ein. Blöder Arsch, dachte Stephans.
»Kommen wir zurück zu der Sache, deretwegen ich Sie beide hergebeten habe. Kommissar Stephans, was haben Sie zum Fall Martin Effenberger zu sagen?«
Stephans ratterte herunter, wie seine Recherchen Effenbergers Geschichte bis ins Detail bestätigt hatten. Das Dance Dance Revolution in Schanghai verwendete subkutane Mikrochips als Eintrittskarten, und auf den Videobildern vom Eingang war Effenbergers Gesicht gut zu erkennen. Im Netz genoss er unter dem Namen Meph einen Ruf als erfolgreicher Poddesigner.
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