- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
zu verstauen, sondern schreibt sie außen auf den Adressaufkleber.«
»Und wo steht dann die Adresse?«
»Auf dem Aufkleber, wie bei jedem anderen Paket auch. Compadre sorgt lediglich dafür, dass dort noch mehr steht. Es kritzelt sozusagen die zu transportierenden Informationen handschriftlich neben die Adresse.«
»Und das funktioniert?«
»Genau wie bei einem echten Postpaket. Und hier wie dort ist auf dem Adressaufkleber nicht viel Platz. Schreiben Sie zu viel darauf, ist die Zieladresse nicht mehr lesbar und das Paket kann nicht zugestellt werden.«
»Die Daten sind also offen zu sehen?«, hakte Westphal nach.
»Richtig. Wir sehen nur nicht hin. Das Schwarzspeichergesetz schreibt vor, dass alle Datenpakete im deutschen Internet inspiziert werden, aber unsere Blackboxes überprüfen nur den Paketinhalt. Wir haben nie daran gedacht, auch die Verpackung in Augenschein zu nehmen.«
Der Minister legte die Stirn in Falten. »Ein bedauerliches Versäumnis. Wie groß schätzen Sie das Bedrohungspotenzial ein?«
»Gering«, antwortete Stephans. »Das Problem bei dieser Methode ist, dass wir es mit einer sehr niedrigen Übertragungsrate zu tun haben. Eine Echtzeitübertragung von Video oder gar 3D kommt nicht in Frage. Das macht Compadre für den breiten Einsatz uninteressant.«
»Trotzdem muss dieser blinde Fleck dringend beseitigt werden.«
»Ich habe die Technikabteilung bereits davon in Kenntnis gesetzt.«
»Ah.« Der Minister zog die Finger wieder ein, die er nach seiner Tastatur hatte ausstrecken wollen. Stephans rätselte, ob das Lächeln, das über Westphals Lippen huschte, ihm galt oder ob der Minister bloß erleichtert war, dass er seine Hände schonen konnte. Wahrscheinlich Ersteres. Erleichterung war ein Zeichen von Schwäche, und Westphal zeigte keine Schwäche. Seine ganze Autorität beruhte auf Selbstaufopferung. Jeder konnte sehen, dass er schlimmer dran war als man selbst und sich trotzdem nicht schonte. Also eiferte man ihm nach und schonte sich genauso wenig, bis man die Wochenenden im Ministerium verbrachte und die Nächte im Verhörzentrum IV. Westphals Instrument der Herrschaft, das begriff Stephans plötzlich, war das schlechte Gewissen.
»Meine Herren, Ihnen ist hoffentlich klar, dass kein Wort über diese Bresche in unserem Wall nach außen dringen darf.«
»Selbstverständlich, Herr Minister.« – »Sie können sich darauf verlassen.« Stephans und Littek hatten gleichzeitig gesprochen. Eine peinliche Stille entstand.
Es war Littek, der sie beendete. »Da diese Sache nun geklärt ist, sollten wir zu den offenen Fragen im Fall Effenberger zurückkehren. So hat er während des Verhörs zugegeben, einen Schwarzspeicher ins Land geschmuggelt zu haben. Allein dafür hätten Sie ihn festhalten müssen, Stephans.«
»Seit wann ist das Informations- und Kooperationsministerium für Bagatellen zuständig?«, gab er zurück.
»Woher wissen Sie, dass es sich um eine Bagatelle handelt? Haben wir den Schwarzspeicher etwa vorliegen?«
»Effenberger hat ihn im Klo hinuntergespült.«
»Behauptet er. Ebenso gut kann er ihn an seine Schattenkontakte weitergeleitet haben. In jedem Fall haben Sie keine Ahnung, welche Daten wirklich darauf waren. Und das ist längst nicht alles. Er hat beim Verhör seinen regelmäßigen Drogenkonsum gestanden. Ist das auch eine Bagatelle?«
»Zwei von drei Deutschen unter 40 nehmen kognitive Enhancer«, konterte der Kommissar. »Sie nicht?«
Littek hatte sich nicht gut genug unter Kontrolle, um zu verbergen, dass Stephans mit seiner Vermutung ins Schwarze getroffen hatte. »Werfen Sie nur Ihre Nebelkerzen«, knurrte der Staatssekretär. »Die Tatsache, dass Effenberger viele Antworten verweigert hat, können Sie nicht verschleiern. Der Schwarzspeicher, die Namen seiner Kunden, welche Daten wirklich über diese anonyme Verbindung ausgetauscht worden sind – ihn unter diesen Umständen einfach hinausspazieren zu lassen war eine grobe Fahrlässigkeit. Sämtliche Entscheidungsalgorithmen stufen ihn nach wie vor als Gefährder ein.«
»Ich halte nichts davon, meine Entscheidungen vom Computer treffen zu lassen«, merkte Stephans an.
»Sollten Sie als Informatiker nicht ein Befürworter von Computern sein?«
»Gerade weil ich mich so gut mit ihnen auskenne, weiß ich, was sie können und was nicht. Ein Computerprogramm liefert Ihnen Ergebnisse, die im Rahmen dessen liegen, was der Programmierer ihm eingegeben hat. Ich dagegen habe Effenberger gegenübergesessen.
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