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- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

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Titel: - Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Radloff
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misstrauisch. Als er das IKM-Logo an seiner Jacke erkannte, sah er weg.
    »Ich brauche nochmal deine Hilfe«, rief Stephans, als er Fenninger erreichte. Die Verbindung war schlecht; ein Zeichen dafür, wie überlastet das Netz in Mitte war.
    »Das wundert …«
    »Ich brauche ein akustisches Abbild des Platzes. Die Überwachungskameras ringsum sind mit Mikrofonen ausgestattet. Zapf auch die Mikros der Agenten und Polizisten auf dem Platz an. Wenn du alle Tonquellen mit ihrem jeweiligen Standort in Bezug zueinander setzt, kannst du die Geräuschkulisse hier unten gut nachbilden.«
    Fenninger war nicht begeistert. »Ein akustisches Abbild? Weißt du, was du da verlangst?«
    »Ich würde dir die Mühe sehr gerne ersparen. Leider habe ich gerade alle Hände voll zu tun, ein totales Fiasko bei einem Großeinsatz zu verhindern.«
    »Ich weiß wirklich nicht, ob ich Lust habe, ein …«
    »Bitte, Matze. Du bist der Einzige, auf den ich mich im Moment verlassen kann.«
    »Musst du denn gleich sentimental werden? Ich melde mich, wenn ich was habe.« Im Hintergrund begann Fenningers Tastatur zu klappern.
    Stephans atmete auf. »Danke. Das hier ist wirklich groß. Oberste Freigabestufe, verstehst du? Wenn du Ressourcen brauchst, egal welche, besorge ich sie dir. Und beeil dich!«
    Der Kommissar beendete die Verbindung. Vielleicht würde der menschliche Faktor am Ende doch keine so entscheidende Rolle spielen.
    Als der Nachrichtenhubschrauber mit einem Zangenmanöver abgedrängt wurde, hielt Rebekka den Atem an. Es war ein alter Sikorsky, billig im Unterhalt und ungefähr so handlich wie eine fliegende Waschmaschine. Selbst ein erfahrener Pilot hätte Schwierigkeiten gehabt, die Maschine in dieser Situation stabil zu halten, und Rebekka hatte nicht den Eindruck, dass der Mensch am Steuer schon viele Flugstunden auf dem Buckel hatte. Für den Laien sah das Manöver nicht besonders gefährlich aus, aber Rebekka wusste, wie kurz der Pilot davor stand, mit seiner trudelnden Maschine auf den Platz zu stürzen. Sie stieß die Luft erst wieder aus, als er den Helikopter gefangen hatte, und behielt ihn im Blick, bis er hinter den Hochhäusern der Karl-Marx-Allee verschwunden war. Die Menge quittierte die Aktion des IKM mit Buhrufen, und ein Sprechchor forderte die Rückkehr des Medienhubschraubers.
    Rebekka fragte sich, ob dieser Effenberger wusste, was er angerichtet hatte. Mit seiner Ansprache hatte er einen Nerv getroffen. Seine Anschuldigungen gegen Westphal mochten absurd und haltlos sein, aber sie erreichten so viele Menschen, dass seine Worte eine Kraft erhielten, die noch viel absurder war. Die aufgestachelte Menge hatte die Polizisten vor den Ausgängen der Station einfach weggefegt. Wenn Rebekka es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, hätte sie nicht geglaubt, dass sich jemals Widerstand gegen das IKM formieren würde, erst recht nicht in einem solchen Ausmaß.
    Im Grunde glaubte sie es auch jetzt noch nicht. Wahrscheinlich war das alles nur ein Spiel, die virale Werbekampagne irgendeines Konzerns, der vom IKM die Lizenz eingekauft hatte, auf dem Notfallkanal eine fingierte Suchmeldung übertragen zu dürfen. Anstatt um die Jagd auf einen Gefährder ging es um eine ausgedachte Geschichte – Krieg der Welten 2.0, erzählt mit den Kommunikationsmitteln des 21. Jahrhunderts. Rebekka und alle anderen waren unfreiwillige Werbestatisten, und statt um die Sicherheit des Landes ging es um eine neue Serie im Web-TV oder um ein 72-Stunden-Deo. Verwenden Sie Meph, denn Schweißgeruch gefährdet Leben. Und das gelangweilte Netzvieh spielte begeistert mit. Die Leute gingen so weit, gegen das IKM aufzubegehren, obwohl jeder von ihnen bei der nächsten Wahl sofort für Westphal stimmen würde.
    Andererseits passte das alles nicht zusammen. Wieso sollte Westphal seinen Namen für virales Marketing hergeben? Was sollte die Aktion mit dem Hubschrauber, die fast in einer Katastrophe geendet hätte? Warum hatte man die Bahnstation rigoros abgesperrt und eine Panik mit Verletzten und Toten riskiert, während hier draußen schon die nächste bevorstand? Die Spannung war bereits wieder mit Händen zu greifen. Die Leute standen so dicht, dass sie ihre Pads über dem Kopf halten mussten, um die Projektion sehen zu können. Ein Uniformierter bahnte sich einen Weg durch die Menge und erntete ein »Scheißbulle«. Jemand applaudierte.
    Rebekka steuerte den Ausgang »Jüdenstraße« an. Sie wollte hier weg, bevor alles eskalierte.
    Im Untergrund

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