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- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

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Titel: - Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Radloff
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entschied sich, dem Gang nach Westen zu folgen. In dieser Richtung würde er schneller zum Rand des Platzes und darüber hinaus gelangen. Er rechnete damit, dass die Präsenz des IKM dort nicht ganz so groß war wie auf dem Ground Zero selbst.
    Er schritt zügig aus, ohne zu rennen, genau wie es Connor getan hätte. Nach einer Weile kam er an eine Tür. Er legte ein Ohr dagegen, hörte nichts Verdächtiges und öffnete sie einen Spalt. Dahinter brannte Licht. Nach einer Schrecksekunde traute Meph sich, die Tür weiter zu öffnen. Der Korridor war leer und wurde anscheinend noch benutzt. Die Rohre unter der Decke waren intakt, und in einer Ecke stand ein Putzwagen, in dem noch Wasser schwappte. Meph ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Er versuchte, seinen Durst zu löschen, aber das Putzwasser schmeckte nach Seife, und er spie es wieder aus.
    Er ging weiter. Der Gang führte zu einer Treppe nach oben. An der Wand hing ein weißes S im grünen Kreis. Meph betrachtete die Stufen, betrat sie aber nicht. Die öffentlichen Bereiche waren zu gefährlich. Dort gab es die meisten Kameras und die meisten Bewaffneten.
    Er machte kehrt, um sich einen anderen Weg zu suchen. Als er die Tür öffnen wollte, durch die er eben gekommen war, griffen seine Finger ins Leere. An der Stelle, wo die Klinke hätte sein sollen, gähnte ein quadratisches Loch.
    Kurz fragte er sich, aus welchem Grund jemand eine Türklinke abmontieren sollte. Ein schlechter Scherz? Oder war es eine Methode von Westphals Leuten, um ihn in die Enge zu treiben? Er pulte mit dem Fingernagel in dem Vierkantloch herum, aber es war vergeblich. Auch sein Rucksack enthielt nichts, was sich als Hebel benutzen ließ. Diese Tür würde für ihn verschlossen bleiben. Das war eine Sackgasse.
    Er klappte sein Pad wieder auf, um nach einem Lageplan der Bahnstation zu suchen, und erschrak bis ins Mark. Sein Livestream war online! Als er das eGalaxy eingeschaltet hatte, waren Kamera und Mikrofon automatisch angegangen. Er, der Gejagte, sendete seine Flucht live in die Welt hinaus.
    Mephs Finger schwebte zitternd über dem Livestream-beenden -Icon. Am liebsten hätte er sich selbst geohrfeigt. Er hatte minutenlang Bilder von seinem Standort ins Netz gestellt. Genauso gut hätte er direkt beim IKM anrufen und den Leuten sagen können, an welcher Ecke sie ihn abholen sollten. Er würde als dümmster Gefährder aller Zeiten in die Geschichte eingehen.
    Nach einer Weile erkannte er die Lücke in dieser Schlussfolgerung. Wenn sein Livestream es den Mitarbeitern des IKM ermöglicht hätte, seinen Standort zu ermitteln, wären sie längst hier. Das wiederum bedeutete, dass sie ihn nicht hatten lokalisieren können. Denn was hatten sie schon gesehen? Hier unten sah jeder Gang aus wie der andere.
    Und noch ein weiterer Gedanke hielt ihn davon ab, den Livestream abzuschalten: Wenn seine Flucht ohnehin aussichtslos war, dann sollte er besser die Gelegenheit ergreifen und eine letzte Botschaft versenden. Wenn er tot war oder in einem anonymen IKM-Knast verschwand, würde nie wieder irgendjemand etwas von ihm hören.
    »Mein Name ist …«
    Plötzlich war er nervös. Obwohl er wusste, dass es Unsinn war, fühlte er sich, als spräche er zu einer riesigen Menschenmenge. Er räusperte sich und begann erneut.
    »Mein Name ist Meph. Ihr kennt mich. ›Ich kooperiere doch‹, das bin ich. Aber ich bin kein Terrorist. Ich bin ein ganz normaler Netzbürger, und ich bin unschuldig. Leider interessiert sich das IKM nicht für die Wahrheit. Man hat mich entführt und gefoltert. Und vor wenigen Minuten wurde der einzige Mensch, der noch zu mir hielt, kaltblütig ermordet.«
    Er wurde von Satz zu Satz sicherer. Die Worte sprudelten regelrecht aus ihm heraus, als hätte er sie sich vorher zurechtgelegt. »Cassandro ist tot, aber ich weiß, warum er sterben musste. Er kannte die Wahrheit über Ephraim. Es klingt unglaublich, aber es stimmt. Er wusste, wer Ephraim ist und was vor drei Jahren wirklich auf dem Alexanderplatz geschehen ist. Jetzt ist er tot, und nur noch ein einziger Mensch in diesem Land kennt die Wahrheit. Sein Name lautet Joseph Westphal.«
    Meph sah sich um. Das IKM konnte jede Sekunde hier sein. »Ich habe nicht viel Zeit, darum nur so viel: Kruppstahl geht über Leichen, um die Wahrheit unter Verschluss zu halten. Ich habe es selbst erlebt. Jedes Wort von ihm ist eine Lüge. Seine Leute sind hinter mir her, und ich rechne nicht damit, dass ich mit dem Leben davonkomme. Wenn

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