Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Rothtannen und Blutbuchen, was kostet das Klafter? Saget einmal, lassen denn die Kesselflicker und Scherenschleifer in den Kanzleien so einen Bart ungerupft und ungeschoren? Machen sie's ihm nicht auch wie den Büchern und den Zeitungen –«
»Mann! Um Gottes willen, Mann!« unterbrach ihn Reinhard, »kommt Ihr jetzt auch mit diesen Geschichten an? Hat man denn nirgends mehr Ruhe vor der verdammten Politik?«
»Ja gucket, das geht einmal nimmer anders, wir dummen Bauern sind jetzt halt auch einmal so dumm und fragen darnach, wo unsere Steuern hinkommen, für was unsere Buben so lang Soldaten sein müssen und –«
»Weiß schon, weiß schon alles,« betheuerte Reinhard.
Der Collaborator aber faßte die Hand des Wirths, klopfte ihm auf die Schulter und sagte:
»Ihr seid ein ganzer Mann, ein Bürger der Zukunft.«
Der Wadeleswirth schüttelte sich, hob beide Achseln, schaute den Collaborator mit gerunzelter Stirne an und sagte dann, indem er lächelnd nickte:
»Einen schönen Gruß und ich ließ' mich schön bedanken.«
Der Collaborator wußte nicht, was das bedeuten soll. Es gab aber nicht lange Bedenkzeit, man vernahm Peitschenknallen auf der Straße, der Wadeleswirth ging nach der »Laube«, dem bedeckten Söller, der das Haus, mit Ausnahme der Gartenseite, umschloß; die beiden Fremden folgten.
»Fahr' besser hist,« rief der Wirth dem jungen Manne zu, der auf dem Sattelgaule vor dem Heuwagen saß; »noch schärfer hist, sonst kommst du nicht herein, du lernst's dein Lebtag nicht; so, so, jetzt frischweg, fahr' zu!«
Der Wagen war glücklich herein; freier athmend ging man wieder nach der Stube.
Der Collaborator fragte bescheiden:
»Warum lasset Ihr denn das Scheunenthor nicht weiter machen, da es doch so mühsam ist hereinzufahren?«
Der Wadeleswirth, der zum Fenster hinausgesehen hatte, kehrte sich um, dann schaute er wieder in's Freie und sprach hinaus:
»Das junge Volk braucht's nicht besser haben als wir, es soll eben auch lernen, die Augen bei sich haben und geschickt sein und wissen was hinter ihm drein kommt. Ich bin mehr als dreißig Jahr da hereingefahren und bin nie stecken blieben.« Jetzt wendete er sich nach der Stube und fuhr fort: »Was ist denn eigentlich Euer Geschäft, Herr Kohlebrater?«
»Ich bin Bücherverwalter.«
Nun kam die Frau, der Sohn, der Knecht und die Magd in die Stube. Alle bewillkommten Reinhard und die Frau bemerkte, auf den Bart deutend:
»Ihr seid recht verwildert in den zwei Jahren, wo wir Euch nicht gesehen haben.«
»Unser Tamburmajor,« sagte Stephan der Sohn, »hat auch so einen gottsjämmerlichen Bart gehabt, er hat ihn aber alle Morgen schwarz gewichst.«
»Wenn ich jung wäre, mich dürftet Ihr mit dem Bart nicht küssen,« sagte Bärbel, eine bejahrte, starkknochige Person, die als Magd im Hause diente; Martin, der Knecht, der hinter ihr stand, war ihr Sohn. Dieser hatte seine besondere Meinung, die er nun auch preisgab:
»Und ich sag', der Bart paßt ihm staatsmäßig, er sieht aus wie der heilig' Joseph in der Kirch'!«
»Und du wie der Mohrenprinz,« endete der Wadeleswirth; »aber wo steckt denn das Lorle? Alte, hol mir einen Trunk aus dem Keller und gib mir ein Mümpfele 4 Käs' und dann richtest du dem Herrn Reinhard sein altes Zimmer her und der andere fremde Herr kann auf dem Tanzboden schlafen.«
Der Wadeleswirth bekam nun doch endlich seinen Trunk; er ging lieber eine Stunde im brennenden Durst umher, ehe er die zwei Treppen hinab- und wieder hinaufstieg. Der Collaborator setzte sich zu ihm.
Reinhard machte einen Gang durch das Dorf; alle Kinder liefen ihm nach, und einige muthvolle riefen sogar aus sicherm Versteck:
Rother Fuchs dein Bart brennt an,
Schütt' ein bisle Wasser dran.
Reinhard ging in das Haus, wo der Bader wohnte, die Kinder warteten vor der Thür bis er wieder geschält herauskäme; als er aber mit vollem Bartschmucke wieder erschien, lachten und jubelten sie aufs Neue.
Im Hause des Baders wohnte noch Jemand, dem Reinhard einen Auftrag gegeben hatte, es war der Dorfschütz, der jetzt mit der Schelle herauskam. Er klingelte an allen Ecken und sprach dann laut und deutlich: »Der Maler Reinhard ist wieder ankommen mit einem großmächtigen rothen Bart. Wer ihn sehen will, soll in die Linde kommen, allda ist der Schauplatz. Eintrittspreis ist, daß Jeder ein groß Maul machen und seine Zähne weisen muß, wenn er hat.
Um halb neun Uhr geht die Fütterung an. Kinder sind frei.«
Ein unaufhörliches Gelächter
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