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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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seiner Braut zur Kirche ging und die Geige erst am Taufbecken ablegte, auf dem Heimweg aber wieder so lustig geigte, daß allen Leuten das Herz im Leibe lachte.
    Von dazumal also ist der Geigerlex im Dorf, und das heißt so viel als: die Lustigkeit lebt darin.
    Seit mehreren Jahren aber ist er manchmal auch trübselig, denn die hohe Kirchen- und Staatspolizei hat verordnet, daß ohne obrigkeitliche Erlaubniß nicht mehr getanzt werden darf. – Auch haben die Trompeten und Blasinstrumente die Geige verdrängt, und so spielte unser Lex nur noch den Kindern unter der Dorflinde seine lustigen Weisen vor, bis auch dies das hochlöbliche Pfarramt als schulpolizeiwidrig untersagte. Vor drei Jahren ist dem Lex noch gar seine Frau gestorben, mit der er immer in Scherz und Heiterkeit gelebt.
    So trotzig keck auch der Geigerlex Anfangs sein Schicksal aufgenommen hatte, so ward es ihm doch jetzt manchmal schwer, mehr als er gestand.
    »Der Mensch sollte nicht so alt werden,« war das Einzige, was er manchmal sagte, und das war nur ein Aufschrei aus einer großen innern Gedankenreihe, in der er es wohl erkannte, daß zum lustigen Leben eines fahrenden Musikanten auch ein junger Leib gehört.
    »Das Heu wächst nicht mehr so weich wie vor dreißig Jahren!« pflegte er oft zu behaupten, wenn er sich in Scheunen gebettet hatte.
    Der junge Amtmann, der ein besonderes Wohlwollen für den Geigerlex hatte, war indeß darauf bedacht, ihm sorgenfreie Tage zu sichern. Die nicht unbedeutende Summe, mit welcher das Haus in der allgemeinen Landesfeuerkasse versichert war, wurde statutenmäßig nur dann voll ausbezahlt, wenn ein anderes Haus an der Brandstelle aufgerichtet wurde. Die Gemeinde, die sich schon lang nach einem Bauplatz zum neuen Schulhaus in der Mitte des Dorfes umthat, kaufte nun, auf Betreiben des Amtmanns, dem Geigerlex die Brandstätte mit allem darauf Haftenden ab. Der Alte aber wollte kein Geld, und so ward ihm eine wohlausreichende Jahresrente bis zu seinem Tod ausgesetzt. Das war nun gerade so nach seinem Geschmack. Er erlustigte sich viel damit, wie er sich selbst aufzehre und das Glas vollaus trinke, daß auch kein Tropfen mehr darin sei.
    Auch ward es ihm nun wieder nachgesehen, daß er den Kindern unter der Dorflinde an Sommerabenden vorgeigen durfte. So lebte er nun auf's Neue frisch auf, und manchmal erblitzte wieder sein alter Uebermuth.
    Als man im Sommer darauf das neue Schulhaus zu bauen begann, da war er beständig wie zauberisch dorthin gebannt. Er saß auf dem Bauholz, auf den Steinen und sah mit beständiger Aufmerksamkeit zu, hacken, graben und hämmern. Mit dem frühesten Morgen, sobald die Bauleute auf ihrer Arbeitsstätte erschienen, war der Geigerlex schon da. Wenn die Werkleute nach drei Stunden Arbeit ihr Frühstück verzehrten, und wenn sie am Mittag eine Stunde Rast machten, und die Kinder und Weiber ihnen das Essen brachten, da saß der Geigerlex immer unter den Ruhenden und Genießenden und machte ihnen »Tafelmusik,« wie er's nannte. Viele aus dem Dorf sammelten sich dazu, und so ward der ganze Bau eine sommerlange einzige Lustbarkeit.
    Der Geigerlex sagte oft, jetzt sehe er erst recht, wie er so viel zu thun gehabt habe; er hätte sollen überall sein, meinte er, wo fröhliche Menschen rasten; die Musik könnte den magern Kartoffelbrei zum schmackhaftesten Leckerbissen machen ...
    Noch ein schöner Ehrentag sollte dem Geigerlex aufgehen, es war der Tag, als der geschmückte Maien auf den fertigen Giebel des neuen Schulhauses gesteckt wurde. Die Zimmerleute kamen, sonntäglich angethan, mit einer Musikbande vorauf, um ihren Bauherrn, den Geigerlex, abzuholen. Er war den ganzen Tag über so voll Uebermuth, wie in seinen besten Jahren, er sang, trank und geigte bis in die tiefe Nacht hinein, und am Morgen fand man ihn, den Fiedelbogen in der Hand, auf seinem Bette todt ....
    Manche Leute wollen in stiller Nacht, wenn es zwölf Uhr schlägt, im Schulhaus ein Klingen hören wie die zartesten Geigentöne. Einige sagen, es sei das Instrument des Geigerlex, das, dem Schulhause vererbt, allein spiele. Andere wollen gar die Töne, die der Geigerlex beim Bau in Holz und Stein hineingespielt hat, in der Nacht herausklingen hören. Jedenfalls werden die Kinder nach allen neuen rationellen Methoden in einem Haus unterrichtet, das von der Sage umschwebt ist.
     

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