Schwarzwaelder Dorfgeschichten
einen Tanz mit mir machst, dann hör' ich eine Stunde auf.«
Er stieg von dem Tisch herunter. Alles drang in die Wirthin, bis sie nachgab. Sie mußte ihn um die Hüfte fassen; er aber hielt seine Geige, entlockte ihr noch nie gehörte Töne und in solch seltsamer Stellung, spielend und tanzend, drehten sie sich im Kreise, und zuletzt hörte er wie mit einem hellen Jauchzen auf, umfaßte die Wirthin und gab ihr einen herzhaften Kuß. – Er erhielt dafür einen ebenso herzhaften Schlag auf den Backen. Das Eine wie das Andere geschah indeß in Frieden und Lustbarkeit.
Von jener Zeit an blieb der Geigerlex im Hause der Sonnenwirthin. Er nistete sich dort ein, und wenn eine Lustbarkeit in der Umgegend war, spielte er auf, kehrte aber regelmäßig immer wieder zurück, und es war weit und breit kein Dorf und kein Haus, in dem mehr getanzt wurde, als bei der runden Sonnenwirthin.
Der Geigerlex benahm sich im Hause als dazu gehörig, er bediente die Gäste (denn zur Feldarbeit kam er nie), unterhielt alle Ankommenden, machte bisweilen ein Kartenspiel und wußte den neuangekommenen Wein trefflich zu loben. »Wir haben wieder einen frischen Tropfen; verschmecket ihn nur, in dem Wein da ist Musik drin!« Ueber Alles, was das Wirthshaus betraf, sprach er mit der Redeweise: »Wir«. »Wir liegen auf der Straß',« – »man muß über uns stolpern,« – »wir haben den besten Keller« u.s.w.
Der Jahrestag der Kircheneinweihung kam wieder, und der Geigerlex war noch immer da.
»Heut' ist mein Purzeltag, heut bin ich hier auf die Welt kommen!« – so rief er, und seine Geige war lustiger als je.
Man konnte sich im Dorf und in der ganzen Gegend das Wirthshaus »zur Sonne« gar nicht mehr denken ohne den Geigerlex. Die Wirthin aber dachte sich's doch vielleicht anders. – Als der zweite Jahrestag der Kirchweih vorüber war, faßte sie sich ein Herz, und sagte: »Lex, du bist mir lieb und werth; du bezahlst, was du verzehrst; aber möchtest du nicht auch wieder einmal probiren, wie sich's unter einem andern Dach haust? Wie meinst?«
»Mir gefällt's bei uns! Wer gut sitzt, soll nicht rücken, sagt man im Sprüchwort.«
Die Wirthin schwieg.
Wieder vergingen einige Wochen, da begann sie abermals: »Lex, nicht wahr, du meinst's gut mit mir?«
»Rechtschaffen gut.«
»Hör', es ist nur wegen der Leut', ich leg' dir nichts in den Weg, aber weißt, es ist ein Gerede. Du kannst ja wiederkommen, nach ein Paar Monaten. Wenn du wiederkommst, steht dir mein Haus offen.«
»Ich geh' nicht weg, da brauch' ich nicht wiederkommen.«
»Mach' jetzt keine Späss', du mußt fort.«
»Ja, zwingen kannst du mich. Geh 'nauf in meine Kammer, pack' meine Sachen in einen Bündel und wirf sie auf die Straße. Anders kriegst du mich nicht vom Fleck.«
»Du bist ein Teufelsbursch. Was soll ich denn mit dir anfangen?«
»Heirath' mich.«
Er erhielt wieder einen Schlag auf den Backen, aber diesmal viel sanfter, als bei der ersten Kirchweih.
Als die Wirthin den Rücken wendete, nahm er die Geige und spielte hell auf.
In kürzeren Zwischenräumen versuchte es nun die Wirthin, den Lex zum Fortgehen zu bewegen, aber seine beständige Antwort war: »Heirath' mich.«
Einstmals sprach sie mit ihm, daß ihn wohl die Polizei nicht mehr dulde, er habe ja eigentlich keinen rechten Ausweisschein u.dgl. Drauf antwortete Lex keine Sylbe, setzte den Hut auf die linke Seite, pfiff ein lustiges Lied und ging nach dem zwei Stunden entfernten Schlosse des Grafen. Das Dorf gehörte damals noch dem reichsunmittelbaren Grafen von S.
Am Abend, als die Wirthin in der Küche am Herd stand und ihre Wangen erglänzten im Widerschein des Feuers auf dem Herd, trat Lex, ohne eine Miene zu verziehen, vor sie hin, überreichte ihr ein Papier, und sagte: »So da hast du unsere Heirathsbewilligung, der Graf dispensirt uns noch von jedem Aufgebot, heut ist Freitag, übermorgen ist unsere Hochzeit.«
»Was? du Schelm wirst doch nicht«
»Herr Lehrer!« rief Lex dem eben an der Küche Vorübergehenden zu, »kommet herein, und leset vor!«
Er hielt die Wirthin am Arm fest, während der Lehrer las und am Ende seinen Glückwunsch aussprach.
»Nun, meinetwegen!« sagte die Wirthin endlich, »du bist mir schon lang recht, aber es war nur auch wegen dem Gerede und dem Gelauf.«
»Also übermorgen?«
»Ja, du Schelm ......«
Das war nun ein lustiger Aufzug, als am Sonntag der Geigerlex, genannt Alexis Grubenmüller, sich selber den Hochzeitsreigen aufspielte, geigend neben
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