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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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bis zum letzten Hause zu schildern; die vorkommenden Sitten und Gebräuche sind dem wirklichen Leben entnommen, so wie auch die Lieder aus keiner gedruckten Sammlung, sondern, so viel mir bekannt, bisher noch ungedruckt sind.
    Neunzehn Jahre sind es, seitdem ich dich verlassen, du stiller Heimathsort, um Bahnen zu wandeln, die weit über deine umfriedete Gemarkung hinausführen; der stille Zug der kindlichen Liebe hat meinen Geist wieder zu dir zurückgelenkt und mit namenlosen Bewegungen hieß ich die fast verklungenen Töne wieder erstehen. Vor meinem Fenster wallt der mächtige Rhein, diese Pulsader Deutschlands; ein glänzender Lichtstreif zieht sich, wie ein silbernes Band, von jenseits herüber, die Wellen zittern und glitzern im Mondlicht. Die Wellen des Neckars, die dort oben an meinem Heimathsort vorbeirauschen – der große deutsche Strom hat sie freudig aufgenommen und trägt sie hinab in das Meer. – So mögen auch diese Gebilde, die ich hinaus sende ins Vaterland, aufgehen in dem Strom deutschen Lebens als eine bescheidene Welle, den heimischen Bergen entsprungen.
     
    Mainz , im Winter 1842.«
     

 
I.
Der Tolpatsch.
     
    Ich sehe dich vor mir, guter Tolpatsch, in deiner leibhaftigen Gestalt, mit deinen kurzgeschorenen blonden Haaren, die nur im Nacken eine lange Schichte übrig hatten; du siehst mich an mit deinem breiten Gesichte, mit deinen großen blauen Glotzaugen und dem allweg halboffenen Munde. Damals, als du mir in der Hohlgasse, wo jetzt die neuen Häuser stehen, einen Lindenzweig abschnittst, um mir eine Pfeife daraus zu machen – damals dachten wir nicht daran, daß ich einst der Welt etwas von dir vorpfeifen würde, wenn wir so weit weit auseinander sein werden. Ich erinnere mich noch wohl deiner ganzen Kleidung: freilich ist sie leicht zu behalten, denn Hemd, rother Hosenträger, und für alle Gefahren schwarzgefärbte leinene Hosen war ja Alles. Am Sonntag, ja da war es anders, da hattest du deine Pudelkappe 1 , dein blaues Wamms mit den breiten Knöpfen, die scharlachrothe Weste, die kurzen gelben Lederhosen, die weißen Strümpfe und die klapsenden Schuhe so gut wie ein Anderer, ja sogar meist noch eine frisch gepflückte Blutnelke hinterm Ohr stecken. Aber es war dir nie recht wohl in dieser Pracht. Drum bleib' ich bei dir in deinem Alltagskleide.
    Jetzt aber, nimm mir's nicht übel, lieber Tolpatsch, und mach dich wieder fort. Ich kann dir deine Geschichte nicht so in's Gesicht hinein erzählen; sei ruhig, ich werde dir nichts Böses nachsagen, wenn ich auch per »Er« von dir spreche.
    Der Tolpatsch trägt ein ganzes Geschlechtsregister in seinem Namen, denn er heißt eigentlich »des Bartels Basche's 2 Bua«, und sein Taufname ist Aloys. Wir thun ihm den Gefallen und bleiben bei seinem rechten Namen. Das freut ihn, da außer seiner Mutter Marei und uns wenigen Kindern ihn fast niemand so nannte; jeder hatte die Frechheit, Tolpatsch zu sagen. Darum ging auch unser Aloys, obgleich er schon siebzehn Jahre alt war, am liebsten mit uns Kindern um. An versteckten Orten spielte er Häufchens mit uns, oder rannte mit uns im Felde umher, und wenn der Tolpatsch, oder besser, der Aloys bei uns war, waren wir geborgen gegen jeden Angriff der Kinder von der Leimgrube; denn die ganze Dorfjugend war fast immer in zwei feindliche Parteien getheilt, die sich auf allen Wegen und Stegen scharf befehdeten.
    Die Altersgenossen unseres Aloys begannen aber schon eine Rolle im Dorfe zu spielen. Sie roteten sich allabendlich zusammen und zogen, gleich den großen Burschen, singend und pfeifend durch das Dorf, oder standen schäkernd vor dem Wirthshause zum Adler an der großen Holzbeige und neckten die vorübergehenden Mädchen. Das vornehmste Kennzeichen eines großgewordenen Burschen ist aber die Tabakspfeife. Da standen sie dann mit ihren silberbeschlagenen und mit silbernen Kettchen behangenen Ulmer Maserköpfen, sie hatten sie kalt im Munde; manchmal aber wagte es einer, bei des Bäckers Magd in der Küche eine glühende Kohle zu holen, und dann machten sie fröhliche Gesichter zu ihrem Rauchen, wenn ihnen auch noch so übel davon wurde.
    Auch unser Aloys hatte schon zu rauchen angefangen, aber nur ganz im verborgenen. Eines Sonntagsabends wagte er es, die Pfeifenspitze aus seiner Brusttasche herausgucken zu lassen und sich so zu seinen Altersgenossen zu gesellen. Einer von ihnen zog ihm mit Hallo die Pfeife aus der Tasche, Aloys forderte sie zurück, sie wanderte aber unter Jubel und Lachen von

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