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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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zog durch das ganze Dorf, die Kinder folgten jubelnd und johlend dem Schütz auf dem Fuße, sie waren kaum so lang zum Schweigen zu bringen, daß man die Verkündigung hören konnte.
    Als es bereits Nacht geworden und der Himmel mit schweren Regenwolken überzogen war, saß Reinhard auf der Steinbank unter der Linde vor dem Wirthshause; er lachte vor sich hin, der urplötzlichen Heiterkeit gedenkend, mit der er unversehens die Seelen aller Einwohner erfüllt hatte. Da hörte er ein verhaltenes Schluchzen in der Nähe, er stand auf und sah ein Mädchen das nach der Scheune ging.
    »Lorle?« sagte er in fragendem Tone.
    »Grüß Gott,« antwortete das Mädchen, die dargebotene Hand fassend, ohne aufzuschauen und ohne die Schürze vom Gesicht zu nehmen.
    »Du hast ... Ihr habt ja geweint, warum denn?«
    »Ich, ich ... hab' nicht geweint,« erwiderte das Mädchen und konnte vor schnellem Schluchzen kaum reden.
    »Warum gunnet Ihr mir denn keinen Blick und sehet mich nicht an? hab' ich Euch was Leids than?«
    »Mir? mir, nein.«
    »Wem denn?«
    »Euch.«
    »Ja wie so?«
    »Es gefällt mir nicht, daß Ihr Euch so zum G'spött vom ganzen Dorf machet, das ist nichts und uns habt Ihr doch auch zum Narren; das hätten wir nicht von Euch denkt.«
    »Ihr seid recht groß und stark geworden, Lorle; kommet 'rein in die Stub', daß ich Euch auch sehen kann.«
    »Brauchet nicht jetzt noch mit mir Euern besondern Possen haben,« endete das Mädchen, raffte sich schnell zusammen und sprang davon durch das Hofthor nach der Straße.
    Reinhard saß mit zusammengekniffenen Lippen vor sich niederschauend wieder auf der Bank. Was ihm vor einem Augenblicke noch wie ein übermüthiger, aber harmloser Scherz vorgekommen war, das hatte jetzt eine ganz andere Gestalt. Von sich sah er bald ab und dachte: Das Kind hat Recht, es ist ein Stück Aristokratie in diesem Scherze: wir wissen nicht wie viel von schmählichem Hochmuth in Jedem von uns steckt. Ich habe das ganze Dorf zu meinem Spaß verwendet.
    Der Collaborator kam jetzt auch herab und sagte:
    »Ein sonderbarer Mann unser Wirth! Ich bin doch schon durch alle Examina gesiebt worden, aber der hört gar nicht auf mit Fragen und dabei hat er so was Mißtrauisches.«
    »Das ist's nicht,« sagte Reinhard, »die Bauern haben eine alte Regel: wenn man mit einem fremden Löffel essen will, soll man vorher dreimal hineinhauchen, verstehst Du?«
    »Jawohl, das ist ein tiefsinniger Gedanke.«
    »Einen schönen Gruß und ich ließ' mich schön bedanken, Herr Kohlebrater,« entgegnete Reinhard lachend.
    Viele Männer und Burschen aus dem Dorfe sammelten sich, von Allen ward Reinhard herzlich bewillkommt; die heitere Weise, die sie herbeigelockt, erhielt eine entsprechende Fortsetzung. Man ging nach der Stube und Reinhard wußte den ganzen Abend allerhand schnurrige Geschichten von seinen Fahrten in Oberitalien und Tyrol zu erzählen, das Gelächter wollte kein Ende nehmen. Reinhard gab sich selbst mehr zum Besten, als es eigentlich seine Art war; er wollte indeß ein Uebriges thun, weil er sie Alle zum Besten gehabt hatte, wie er in gesteigerter Selbstanklage sich vorwarf. Nach und nach gerieth er aber aus innerer Lustigkeit auf allerlei tolle Seltsamkeiten, denn er konnte sich, namentlich in zahlreicher Gesellschaft, wahrhaft in eine Aufregung hineinarbeiten.
    Reinhard war so voll Lustigkeit unter den Menschen gewesen und allein auf seinem Zimmer ward er verstimmt und düster; die Welt erschien ihm doch gar zu nüchtern, wenn er nicht selber sie etwas aufrüttelte.
    Lorle war den ganzen Abend nicht in die Stube gekommen.
    Tief in der Nacht »schlurkte« noch Jemand in Klapp-Pantoffeln durch das ganze Haus und drückte an allen Thüren; es war der Wadeleswirth, der nie zu Bett ging, bevor er Alles von oben bis unten durchgemustert hatte.
     
Fußnoten
     
    1 Zum Besuch kommen, sonst nur von ganz nahen Nachbarn gebräuchlich.
     
    2 Eine gewöhnliche Redensart, wenn ein unerwarteter Freund kommt.
     
    3 Grundel, Gründling, kleiner Fisch.
     
    4 Mümpfele – mundvoll.
     
     
Das war ein Sonntagsleben.
    Am andern Morgen stand der Collaborator ganz früh vor dem Bette Reinhard's und sang mit wohlgebildeter, kräftiger Stimme, die man ihm nicht zugemuthet hätte, das Lied aus Preciosa: »Die Sonn' erwacht« mit Weber's thaufrischer Melodie. Reinhard schlug murrend um sich.
    »Ein Mann wie du,« sang der Collaborator
recitando,
»der das herrliche Bild Sonntagsfrühe abconterfeit, darf einen Morgen nicht

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