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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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nicht gern davon, es schickt sich nicht, und doch ist das, worauf es sich stützt, nichts Geheimes, man macht dort wo der Mann her ist gar kein Hehl daraus, also: vom innern Kniegelenke bis gegen die Knöchel – rund heraus, die Wade war beim Lindenwirth tapfer bestellt und darum wurde er so genannt.
    Jetzt können wir uns schon ruhiger beim Wadeleswirth niederlassen, wir müssen aber damit eilen, denn es gibt bald großen Halloh im Hause und im ganzen Dorfe und Alles durch einen einzigen Menschen oder zwei.
    Der Wadeleswirth sitzt also still da und läßt seine Gedanken um sich her schwirren wie die Fliegen, die summend die Stube durchschwärmen. Freilich hat man nicht viel Gedanken, wenn man so müde ist und wie der Wadeleswirth eben vom Feld heimkommt, wo man einen Wagen Heu aufgeladen; da thut's wohl, geruhig zu verschnaufen und die Gedanken, wenn man deren hat, machen zu lassen was sie wollen. Der Katze, die auf dem äußern Fenstersims hockte und gar viel mit sich zu thun hatte, nickte er einmal zu, dann kehrte er sich um und rief:
    »Lorle!« Aus der Kammer antwortete eine Stimme: »Was?«
    »Ich mein', du machst's auch wie die Katz; die putzt sich, wie wenn wir Fremde bekämen.«
    »Mir ist's auch so,« antwortete es von innen.
    »Mach' dich nur fertig, und wenn du verkühlt bist, hol mir einen Trunk (Most) aus dem Keller; ich verdurst' schier.«
    »Gleich, gleich,« antwortete es wieder aus der Kammer. Man hörte eine Kiste zuschlagen, dann Jemand die Treppe hinablaufen und bald wieder heraufkommen, die Thür öffnete sich, da ... da fiel hart am Fenster ein Schuß, ein gellender Schrei entfuhr dem Mund des Mädchens, das Glas mit dem Most lag auf dem Boden und die Katze sprang in die Stube ganz nahe vorbei an dem Gesichte des Wadeleswirths. Dieser stand auf und fluchte, und das Mädchen war in der halbgeöffneten Thür verschwunden.
    Wir aber müssen dem seltsamen Ereigniß nachgehen ...
    Zwei junge Männer schreiten durch den Bergwald; der eine in grauer Tyrolerjuppe mit grünen Schnüren, groß und breitbrustig, mit braunrothem unverschorenem Bart, einen grauen Spitzhut, breitkrämpig und vielfach zerdrückt auf dem Kopfe; der andere mit bescheidener Mütze, unter der ein feingeschnittenes Gesicht mit wohlgezogenem Backenbart sichtbar wird, seine kleine Gestalt etwas nach vorn gebeugt mit einem zertragenen schwarzen Ueberrock bekleidet. Die Beiden wandern wortlos dahin. Ein alter Bauer trägt ihnen zwei Ränzchen, eine Zither, einen Malerstuhl und eine Flinte nach. Jetzt treten sie aus dem Walde und im Thale vor ihnen zieht sich ein langes Dorf hin, wie man sagt: nur auf einer Seite gebacken, denn die Häuser stehen längs des Baches, der murrend und wildrauschend über und zwischen Felsen wegrollt; ein Steg führt über den Bach, wo jenseits auf einsamem Hügel die Kirche steht.
    »Da hast du's, das ist Weißenbach,« sagte der Große mit klangvoller Bruststimme.
    »
Ille terrarum mihi praeter omnes angulus ridet,
« sagte der Kleine, in dessen schwarzem Gewande wir mit Recht einen abgetragenen Schulrock vermuthet haben.
    »Laß deinen Horaz,« erwiderte der Große, dem wir ohne Scheu den Malerstuhl zuerkennen dürfen.
    »Gern,« versetzte der Kleine und sich umschauend fuhr er lächelnd fort: »
Ite, missa est,
ihr Bücher sollt mir nicht zwischen die Beine laufen in der freien Natur, still! Bruder, das solltest du malen, oder ich will ein Märchen schreiben, wie das Steckenpferd des Autors, das in jedem Buche aufgezäumt an die Krippe gebunden ist, lebendig wird und mit dem Buch davonjagt; es müßte herrlich sein, wenn so ein Rudel Bücher, so eine ganze Bibliothek da den Berg hinunterritte, hussa! hussa! Ich will das Märchen schreiben.« –
    »Du thust's doch nicht, du speist dir immer in die Hände und greifst nie zu.«
    »Leider hast du Recht, aber hier will ich frisches Leben holen. Sieh, wie das Dorf hier so friedlich im Mittagsschlummer daliegt als wär's ein großes Wasserungeheuer, das sich am Ufer sonnt; die Strohdächer sind wie große Schuppen. Sieh dort die Kirche! Ich liebe die Kirchen auf den Bergen, sie gehören nicht mitten in den Häusertrödel. Auf diesen Felsen will ich meine Kirche erbauen – das ist schön! Auch leiblich sollen die Menschen aufsteigen, sich erheben zur geistigen Erhebung. Wie diese Kirche hier jenseits des Steges auf dem Berge steht, ist sie die wahrhaft transcendente, supranaturalistische.«
    Nach einer Pause fuhr er fort: »Hörst du die Hunde bellen und die

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