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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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schicket mir's oder bringet's mit, wenn Ihr kommet.
    Ich muß euch auch noch was erzählen. Denket nur einmal, Mutter! Ich sitz' am Dienstag vor drei Wochen an meinem Wagen und mach' die Deichsel zurecht – man kann hier nicht all' Ritt zum Wagner springen, da muß man Alles selber machen – wie ich nun so da sitz', da hör' ich auf einmal: ›Bist fleißig, Aloys?‹ Ich guck' auf, wer steht da? des langen Herzles Kobbel 12 . der bei der Gard' gewesen ist. Wir sind sonst nicht die besten Freund' gewesen, aber ich hab' nicht daran denkt und bin ihm um den Hals gefallen und hab' ihn schier verdruckt. Ich glaub', wenn der Jörgli käm', ich thät ihm auch die Hand geben; er käm' ja von Nordstetten.
    Ich hab' Alles im Haus zusammengerufen und hab' einem welschen Hahn den Kragen abgeschnitten. Der Kobbel hat mit mir gessen, wie ein anderer Mensch auch. Die Gesetz' von denen Essensspeisen, die sind für die alt Welt und nicht mehr für die neu.
    Der Kobbel ist acht Tag' bei mir blieben und hat mir helfen schaffen im Feld, er kann's so gut wie ein Christ; das hat mir rechtschaffen gefallen, daß er einsieht: für einen Soldaten, der Ehr' im Leib hat, schickt sich's nicht mehr, mit dem Zwerchsack 'rumzulaufen; er will sich hier herum Aecker kaufen, ich bin ihm dazu behilflich, ich muß auch meine lieben Juden von Nordstetten hier haben, sonst ist es gar kein recht's Nordstetten. Darnach wird er auch zur Nazenalmiliz gehen. Er kann mit der Zeit auch Offizier werden. Hier fragt man keinen nach seinem Glauben; wenn der Mensch nur brav und gesund ist. Abends sind wir alls zusammengesessen, ich, mein' Mechtild, mein Schwäher und mein' Schwieger und ihre Buben und Mädle und der Kobbel, und da haben wir Lieder von daheim gesungen, es ist mir grad g'wesen, wie damals, wo das Marannele mit seiner neuen Kunkel kommen ist. Ihr müsset aber nicht meinen, daß ich oft an das Marannele denk'. Ich hab' mein' Mechtild rechtschaffen gern und sie mich auch. Ich wünsch', daß alle Leut' einander so gern hätten und so gut hausen thäten.
    Nun von wegen eurem Kommen. Ich mag nicht zu arg bitten, der Mathes wird Euch Alles da drüber schreiben: aber wenn's möglich wär' – nein, ich will ja nicht bitten. Der Kobbel sagt mir, daß unser Xaver zu des Zimmermann Valentins Gretle geht; das wird sich auch nicht vor der Ueberfahrt fürchten und wird mit ihm gehen. Es ist jetzt eins, Nordstetten hüben oder Nordstetten drüben.
    Schreibet auch bald Antwort. Schicket den Brief nur wieder an den Mathes, der kommt öfter nach der Stadt.
    Nun wünsch' ich von Herzen wohl zu leben. Denket auch als einmal an mich. Mein' Mechtild und mein Basche und meine Schwiegereltern grüßen Euch von Herzen. Mein' Schwieger hat meinen Basche gelernt, wenn man ihn fragt: wo ist denn deine andere Ahne? hernach sagt er: drüben auf dem Schwarzwald. Ich verbleibe Euer getreuer Sohn
    Aloys Schorer.

     
    Das ist die Hand von meinem Basche, ich hab' sie abzeichnet, liebe Mutter, grad wie er sie aufs Papier gelegt hat, weil noch Platz da gewesen ist.«
     
    Ivo sollte nun auch noch den Brief vom Mathes lesen, aber er versprach dieß auf ein andermal, und von der dankenden Mutter, die ihre Thränen trocknete, bis an die Thüre geleitet, machte er sich auf seinen Weg.
    Draußen vor dem Dorfe sah er seine Schwester Gretle mit dem Xaver nach der Wiese gehen. Er wußte jetzt, warum seine Schwester immer so streitsüchtig und mißmuthig war: der Vater wollte ihre Bekanntschaft mit dem »Amerikaner«, wie er Xaver betitelte, nicht dulden.
    Mit einem Hops hoch in die Luft springend, schüttelte Ivo die ganze Last der Standeswürde von sich ab. Er sprang und sang wie ehedem, immer über die Steinhaufen am Rande der Straße hinweg hüpfend.
    Der Brief des Aloys hatte einen gewaltigen Eindruck auf ihn gemacht. Er sah hier ein durch tüchtige Arbeit und Selbständigkeit beglücktes, ein rechtschaffenes Leben in der eigentlichen Bedeutung des Wortes; zum erstenmal wurde es ihm recht klar, wie bei dem Studieren die Körperkraft so brach liegt und darum so oft eine prickelnde Unruhe in allen Gliedern sitzt, wie die Müdigkeit da kein so angenehmes Gefühl bietet, als nach körperlicher Anstrengung. Er dachte daran, daß er Pfarrer und zugleich Bauer in Amerika sein wolle, und er dachte weiter, wie er seine Schwester besuche, von Hof zu Hof wandere, die Kinder lehre und in allen Häusern ein gottseliges Aufschauen nach oben erwecke.
    So kam er unter mancherlei Gedanken nach Horb. Die

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