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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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meinen Kindern schuldig, ich darf's nicht zugeben, daß Alles hinter sich geht. Ich für mein Teil wollt' gern mein Leben lang trocken Brod essen, aber für meine Kinder darf ich's nicht zugeben, daß wir in fünf Jahren an den Bettelstab kommen und sie unter fremden Leuten herumgestoßen werden. Guck, er hat keinen Menschen auf der Welt lieber als mich, er gäb' gleich den letzten Tropfen Blut für mich hin, ich für ihn auch; aber er will eine Hypothek aufs Haus und die Güter aufnehmen und will mit dem Schreiner Koch Häuser auf den Verkauf bauen, und ich soll mit unterschreiben, und das thu' ich nicht, da bringen mich keine zehn Gäul' dazu, das ist meinen Kindern ihr Sach', ich muß als Mutter an ihnen handeln. Wir sind schon die reichen Leute nimmer, und die Armen dürfen ja auch nicht drunter leiden, daß es nimmer so bei uns ist, die müssen ihr Schenkasche haben, und wenn ich mir's am Maul absparen muß. Ja, lieber Ivo, laß dir das von deiner Mutter gesagt sein: wie dir's auch geht, vergiß nur nie der Armen; das Korn auf der Bühne wächst noch, wenn man davon hergibt, und unser Herrgott gesegnet das Brod in der Schublade, daß es besser sättigt. Gelt, guter Ivo, du hast deinen Vater auch recht gern? Er ist der best' Mensch von der Welt. Gelt, du hältst ihn in Ehren? Du bist sein Stolz, wenn er dir's auch nicht sagt, er kann das nicht. Wenn er vom Adler heimkommt, wo dich alle Leut' so überaus loben, weil des Schneider Christle's Gregor so gut von dir schreibt, da kann man ihn um einen Finger wickeln. Nimm dir's nur recht vor, daß du dich gar nicht irr machen lassen willst, und sei nicht betrübt. Was man sich recht vornimmt, das kann man auch, glaub mir's.«
    Ivo nickte bejahend und küßte die Hand seiner Mutter, aber eine tiefe Schwermuth belastete seine Seele: das Paradieß seines elterlichen Hauses war vor ihm eingesunken, nur seine Mutter schwebte noch wie ein Lichtengel darüber, und einmal sagte er sich ganz leise: »sie heißt nicht umsonst Christine, sie ist grad wie der Heiland, sie nimmt mit Lächeln das schwerste Kreuz auf sich, will gar nichts für sich und Alles für Andere.«
    So kam es, daß Ivo dem Ende der Vacanz mit weniger Schmerz entgegensah, als er bei der Heimkunft gedacht hatte.
     
Fußnoten
     
    1 Klotho hält den Rocken, Lachesis spinnt, und Atropos schneidet ab.
     
    2 Blüthen.
     
    3 Rösch, so viel als hartgebacken.
     
    4 Ein Mitbring von der Reise heißt »Krohm«, Kram.
     
    5 Botenlohn für Verkündigung einer guten Botschaft.
     
    6 Einziges, von Gott, dem Einzigen.
     
    7 Schwiegertochter.
     
    8 Nirgend.
     
    9 Kaib, so viel als Lump, Schuft.
     
    10 Wehe.
     
    11 Verzwazeln, so viel als verzweifeln, spöttisch gebraucht.
     
    12 Jakob.
     
    13 Vernachlässigt, falsch macht.
     
     
9.
Die Freunde.
    In der ersten Zeit, als Ivo in's Kloster zurückgekehrt war, überfiel ihn wieder das alte Heimweh. Er machte sich Vorwürfe, daß er die Vacanz nicht recht genossen habe, daß er sich von Dingen verstimmen lassen, die nicht einmal so arg waren, wie sie schienen; aber er hatte sich vorgenommen, es dem Aloys nachzuthun und seine Mutter mit kläglichen Briefen nicht noch mehr zu betrüben.
    Dadurch, daß Ivo früher in Gedanken immer zu Haus war, hatte er sich gar nicht in seine neuen Verhältnisse und in das Zusammensein mit den Kameraden eingelebt, das sollte jetzt anders werden.
    »Man kann Alles, wenn man nur recht will, hat meine Mutter gesagt; das soll mein Wahlspruch sein.«
    Ivo und Clemens hatten sich herzlich bewillkommt, die andern Kameraden waren dabei, ein jeder hatte viel zu erzählen. Mittags auf dem Spaziergange blieben Ivo und Clemens wie auf eine geheime Verabredung zurück, und hinter einer blühenden Schlehdornhecke, wo es niemand sah, fielen sie, ohne ein Wort zu reden, sich um den Hals und küßten und herzten sich inniglich. Die Lerchen jubelten hoch in den Lüften, und die Schlehblüten regten sich von einem sanften Winde. Freudeverklärten Antlitzes, ein jeder seinen Arm um den Nacken des andern geschlungen, so kehrten sie wieder auf die Straße zu den vorausgegangenen Kameraden zurück. Ivo sagte nur, aus einer langen innerlichen Rede heraus, laut die Worte: »still und heilig!« und schaute dabei in das hellleuchtende Auge seines Clemens, sie reichten sich schweigend die Rechte und hielten sie fest, dann schlug Clemens den Ivo und sprang von ihm fort zu den andern. Ivo verstand wohl, daß sie ihren geheimen Liebesbund ja recht sicher vor den

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