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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Stadt erschien ihm bei weitem nicht mehr so schön als früher, die Häuser nicht mehr so groß; er hatte jetzt schönere gesehen.
    Der Kaplan war hocherfreut über seinen Zögling, und die Frau Hanklerin, die krank im Bette lag, sagte: »Das macht mich wieder ganz gesund, daß du wieder da bist.« Die Oberamtmannssöhne waren nicht mehr in der Stadt, denn wir erinnern uns, daß ihr Vater von der Aextegeschichte her versetzt worden ist.
    Es war schon Nacht geworden, als Ivo von Horb heimkehrte. Im Dorfe traf er den Constantin, der, den einäugigen Peter an der Hand führend, mit den halbgewachsenen Burschen singend durch die Straße zog: er lehrte sie neue Lieder und erzählte unter großem Gelächter allerlei Schliche und Schabernack, die er seinen Lehrern im Kloster angethan hatte. Ivo ging eine Weile still mit, vor seinem Hause aber sagte er: »gute Nacht« und ging hinein.
    Während der ganzen Vacanz war Ivo viel allein. Er spazierte entweder einsam durch das Feld, oder übte sich zu Hause auf dem Waldhorn, das er sich von des Bäcken Konrad entlehnt hatte. Die Mutter Christine aber drängte ihn immer, er solle auch aus dem Haus gehen und nicht so immer daheim hinhocken. Bisweilen ging er nun auch mit dem neuen Schullehrer über Feld. An Constantin schloß er sich nur dann an, wenn er ihm nicht ausweichen konnte.
    Ein großer Schmerz durchwühlte das junge Herz unsers Ivo, er sah die nur halbverdeckte Zwietracht zwischen seinen Eltern; früher hatte er nichts davon bemerkt, er war stets inmitten aller dieser Verhältnisse aufgewachsen, er kannte ihre Mängel nicht, im Kloster hatte er sich sodann das Leben zu Hause als ein paradiesisches, im ewigen Frieden hinfließendes vor die Seele gezaubert, alles Herbe und Schroffe, wenn je etwas davon in seiner Seele gehaftet hatte, war vergessen. So, mit neuem Bewußtsein, mit einem gewissen Bilde der Vollkommenheit in sein elterliches Haus zurückgekehrt, erschien ihm vieles darin verzerrt und zerrissen, vielleicht ärger, als es war. Er kam aus einem Hause, wo sich Alles nach steten äußerlich festgestellten Gesetzen bewegt: da ging Alles ohne Ueberlegung und Widerrede nach der Regel wie ein Uhrwerk, und wenn ihn auch der Klosterzwang sehr drückte, so verstand er es doch nicht, wie in einem freien Familienverbande, wo jedes nach eigener Bestimmung für das Ganze handelt, manches Disputieren und manche laute Zurechtsetzung stattfinden muß. War ihm daher das ganze laute Treiben des Hauses, ja sogar das stark betonte Sprechen fremd und sah er die Leute verwundert an, so schüttelte er über die Art und Weise seines Vaters oft den Kopf. Wenn die Mutter zu den Planen Valentins von neuen Häuserbauten »auf den Verkauf« schwieg, schrie er: »Da haben wir's wieder, du gibst halt nie etwas auf das, was ich sag'; ob ein Hund bellt, oder ob ich schwätz', das ist dir all' eins.« Widersprach sie ihm, dann sagte er schmerzlich: »Das ist der alt' Tanz, was ich halt vorhab', ist bei dir nicht recht.« Behandelte ihn dann die Mutter sanft, wie einen Gemüthskranken, und er merkte das, so fluchte er. War sie dagegen standhaft und fest und ließ sich nichts von ihm gefallen, so sagte er: »Das ist Gott bekannt, du lebst eben nicht für mich, du lebst für deine Kinder; gelt, es wär' dir recht, wenn ich sterben thät?« und dann setzte er sich hin, aß nicht und trank nicht und redete kein Wort, oder er ging in's Wirthshaus; er ließ sich aber dort nichts zu essen geben; denn er wußte, daß das seine Frau kränke, weil die Leute darüber reden würden, er ging dann lieber hungrig zu Bette.
    Mit unbeschreiblichem Schmerze blickte Christine bei derlei Vorkommnissen auf ihren Ivo. Sie sah alle die Qualen, die ihre Marterzüge auf seinem Antlitze ausbreiteten, und sie gab sich noch mehr Mühe, Alles zu verhehlen und zu vertuschen; die anderen Kinder waren solche Vorfälle mehr gewohnt, es ging ihnen nicht mehr nahe.
    Christine sah wohl ein, daß sie sich mit ihrem jüngsten Sohn besprechen müsse; sie setzte sich daher eines Abends vor sein Bett und sagte: »Guck, dein Vater ist der rechtschaffenste Mann, den man finden kann, aber er hat eine unglückliche Natur, er ist mit sich selber unzufrieden, weil er halt manches verunschickt 13 und nicht Alles nach seinem Kopf geht; und da möcht' er dann grad, daß andere allfort mit ihm zufrieden sein sollten. Wenn er sieht, daß das nicht ist, und das kann ja nicht sein, da regt sich sein guter Geist noch mehr in ihm, und ich bin's doch

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