Schwarzwaldau
von seltsamen, theuren Dingen dieser Gattung in Reichenborn's Hände gerathen war, hatte er, gleichviel wie kostbar, eingekauft für ›Linchens Sparbüchse.‹ Die Spielerei war zuletzt in Liebhaberei und endlich gar in die Gier eines Goldmünzen-Sammlers übergegangen. Als er Carolinen vor ihrer Vermählung die ›Sparbüchse‹ übergab, erwähnte er ausdrücklich, daß die Hälfte der darin zusammengehäuften Stücke aus wirklichen Cabinetsstücken bestehe, deren einzelne, trotz ihres reellen Geldwerthes vielleicht dreifachen Werth als Raritäten besäßen. Daran erinnerte sich jetzt Frau von Schwarzwaldau. Sie beschloß mit Emil zusammen eine genaue Musterung der goldenen Vließe anzustellen, sobald er von der Musterung seiner Wollen-Vließe im Vorwerke wieder da sei. Was historische Bedeutung, oder den Reiz der Curiosität habe, solle für's Erste reservirt, die gewöhnliche Masse gangbarer Münzen solle versilbert werden. Sie freute sich kindisch, dieses Spiel, welches sie als Kind oft mit den Eltern getrieben, heute als verheirathete Frau mit ihrem Gatten spielen zu können. »Gebe Gott, daß ich es auch einmal mit meinem Kinde spielen kann!«
Und als sie bedachte, wie nahe vielleicht eines so natürlichen Wunsches Erfüllung wäre, nahm sie sich vor, die ›Sparbüchse‹ nicht gar zu heftig zu plündern. Sie wußte ja selbst nicht, was sie besaß? Hatte niemals Antrieb empfunden, das genaue Verzeichniß zu durchlesen, welches von Vaters Hand geschrieben oben auf lag. Heute empfand sie diesen Antrieb. Sie nahm den Schlüssel zu ihrem Secretair unter dem Uhrkasten heraus und steckte ihn mechanisch – (ihre Gedanken weilten noch bei dem, unter spanischen und mexikanischen Doublonen wühlenden Kinde!) – in das von einem elfenbeinernen Herzen umkränzte Schlüsselloch; aber sie gelangte nicht dazu, ihn umzudrehen. Der Widerstand lenkte ihre Aufmerksamkeit dem Schlosse zu und sie entdeckte, daß in demselben ein ungehöriger Gegenstand das tiefere Eindringen des Schlüssels verhindere. Sie versuchte lange Zeit vergebens. Auch das Bemühen, mit einer Stricknadel herauszubohren, was etwa zufällig in die kleine Oeffnung gerathen sein und dieselbe verstopfen möchte, erwies sich fruchtlos.
»Das ist doch unbegreiflich!« sprach sie – und ihr Traum wachte wieder auf. »Sollte Emil alles Ernstes versucht haben . . . .? Sollte ich in der That, wenn auch im Schlummer, wahrgenommen haben, was ich für Traum hielt? Es scheint ein Stückchen Eisen zu sein, worauf die Nadel stößt? Wie von einem abgebrochenen Schlüssel? Aber mein Schlüssel ist unverletzt. Und niemand als Er hat von gestern Abend bis zu meinem Erwachen diese Schwelle betreten. Folglich muß . . .«
Sie ging in höchster Spannung nach Emil's Arbeitszimmer, um zu erproben, ob ihr Schlüssel des Gatten Secretair öffne? Die Probe fiel bejahend aus: auf den ersten Versuch gelang sie.
»Er hat, von seiner Geldnoth gepeiniget, der Arme, erforschen wollen, ob die geizige Frau nicht im Stande wäre, ihm beizustehen! Das zufällige Uebereinstimmen der zwei verschiedenen Schlösser ist ihm förderlich gewesen. Er hat meine Schübe durchsucht nach dem Cassettenschlüssel, und das heimliche Fach nicht entdeckt. Ich habe mich geregt, er ist erschrocken, im Schrecken hat er den Bart abgedreht. So ist es. Unfehlbar. Und was ist's denn Arges? Hat er nicht, streng genommen, ein Anrecht an mein Eigenthum, welches auch das Seinige ist? Liegt nicht in diesem heimlichen Spüren nach meinen kleinen Schätzen ein gerechter Vorwurf, eine stumme, dennoch beredte Anklage gegen Diejenige, die ihm so lange vorenthielt, was er bedarf? Er that es in guter Absicht: um sich zu überzeugen, ob er wagen dürfe, sich an mich zu wenden, weil er des Vaters kleinliche Weigerungen fürchtet. Nein, er verdient keinen Tadel. Ha, wie froh bin ich, daß ich ihm als selbsteigenes Anerbieten schon entgegengebracht, wonach er sich sehnt! – Doch er hat mir mein Schloß verdorben, und Strafe muß sein. Dafür durchstöbere ich nun seine Geheimnisse und Gott sei ihm gnädig, finden sich getrocknete Blumen, alte Locken von jungen Köpfen, verblichene Bandschleifen, oder gar zerknitterte Liebesbriefchen, kurz irgend etwas von jenem Krame vor, was Stoff zu Neckereien bietet!«
Nichts von ähnlichen Dingen war vorhanden, wie emsig auch die Nachsuchung betrieben ward. Die beschriebenen Papiere, die zerstreut und ungeordnet übereinander lagen, enthielten litterarische Excerpte und Auszüge
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