Schwarzwaldau
aus lyrischen Dichtern. Der Anfang eines Tagebuches aus der Knaben- und ersten Jünglings-Epoche schien flüchtiger Uebersicht völlig unbedeutend und gewann nur einiges Interesse durch das mit rother Schrift eingetragene Motto:
vulnerant omnes, ultima necat,
und einige Tropfen, welche auf die Vermuthung führten, der lateinische Ausspruch sei mit Blut geschrieben. – »Er wird sich beim Federschneiden den Finger verletzt haben!«
Schon wollte Caroline, unbefriediget, wieder schließen, da gewahrte sie, im Winkel des großen mittleren Schubfaches ein Paket von länglicher Form. Allerlei Zeitungsbogen und andere bedruckte Papiere waren mit Bindfaden zusammengebunden. Sie griff danach, wog es in der Hand und glaubte ein gewaltiges Messer gefunden zu haben? Sie lösete die vielfach verschlungenen Schnüre, streifte die Hüllen ab – wobei ihr eine wohlbekannte Bade-Liste in's Auge fiel, – und hielt einen eigenthümlich gestalteten Dolch, an dessen, mit fremdartigen Figuren bezeichneter Klinge röthliche Streifen schimmerten. Die äußerste Spitze war abgebrochen. Dennoch hätte eine feste Hand wohl immer noch vermocht, tödtliche Stöße mit diesem Stahle zu führen.
»Was sollen die Dummheiten,« – sagte sie; – »was hat eine alte Waffe, an der das Blut Gott weiß welches Seracenen, oder andern Heiden klebt, unter Abschriften deutscher Dichter zu thun? Das Ding gehört in eine Sammlung von Curiositäten, neben vergiftete Pfeile und ausgedörrte Schlangenhäute. Ich nehm' es ihm weg und er bekommt es nicht wieder. Es ist unheimlich.«
Sie nahm ein Stück Kienholz aus dem Korbe am Kamin, wickelte dieses in die vorhandenen Blätter, gab dem Ganzen die vorige Form und legte es an seinen Ort. Dann schloß sie den Secretair, begab sich auf ihr Zimmer, verbarg die vom Streifzug heimgebrachte Beute im Wäschkasten unter invaliden Hemden und Strümpfen und schickte nach dem Schmied im Dorfe, damit dieser das Schloß ihres Secretairs in Ordnung zu bringen versuche. Wie es zu diesem Zwecke mit plumpen Fäusten mehr aufgebrochen, als künstlich geöffnet worden, (der abgebrochene Schlüsselbart fand sich richtig vor,) staunte Caroline über die Unordnung in ihren Juwelen- und anderen Schmuckkästchen. Alles war durcheinander geworfen. Sobald sie sich erst überzeugt, daß nichts fehle, rief sie mit leichterem Herzen: »Er hat tüchtig umhergekramt, mein guter Emil, und doch nicht entdeckt, wo der kleine Drache, der den Schatz bewacht, seine Höhle hat: – fürwahr, zum Diebe ist er verdorben!«
Eben griff sie tastend nach dem in einem versteckten Winkel angebrachten Knopfe, auf den gedrückt werden mußte, sollte der Deckel des heimlichen Faches aufspringen, schon ungeduldig, daß sie den richtigen Punct nicht sogleich zu treffen vermochte, – da meldete ihr Kammermädchen, aufgeregt und ängstlich, wie jemand, der etwas Entsetzliches zu berichten weiß, daß der Mühlbauer im Schlosse sei und dringend mit dem Herrn zu sprechen wünsche.
Nun war zufällig, nur wenige Tage vorher, die Rede von einem Processe gewesen, der zwischen besagtem Mühlbauer und dem Dominium in Aussicht stehe. Jener, dessen Mühlwerk zum Theil durch Zuflüsse aus dem sogenannten See im Garten getränkt werden mußte, sollte es in trockenen Jahren nicht müssig stehen, behauptete steif und fest, er habe Anrechte darauf, weil bei Anlage des künstlichgebildeten Wasserspiegels ein Bächlein aus der alten Bahn geleitet und aufgefangen worden sei, welches seinen Vorfahren, lange eh' der Park gegründet ward, dienstbar gewesen: folglich gebühre ihm, was er bedürfe. Das Dominium hatte in Person des Amtmannes dagegen geltend gemacht, daß die Ansprüche der Mühle, hätten solche dereinst bestanden, längst verjährt seien und daß die Herrschaft seinetwegen, wenn es überall an frischem Wasser fehle, ihren schönsten Platz im Parke nicht durch einen halbleeren See entstellen lassen werde.
Emil hatte sich, seit Agnesens Tode, um diese fortdauernden Zwistigkeiten nicht bekümmert. Auch der Amtmann hatte im Eifer nachgelassen und zwei Jahre lang ruhte der Streit, der mit der Einkehr einer neuen Schloßfrau erst wieder Bedeutung gewann, da ihretwegen der Park die vorige Pflege erhalten sollte.
Caroline meinte, der Besuch des Müllers gelte dieser Angelegenheit und der Mann wolle sie bitten, daß sie ein gutes Wort einlege, um den langwierigen Proceß beiden Partheien zu ersparen; deßhalb habe er eine Stunde gewählt, wo er sie allein zu finden
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