Schwarzwaldau
Du denn auch an den Skandal, den Du über Schwarzwaldau bringst, wenn Deine frivole Absicht gelingt? Dachtest Du dabei an mich?«
»Was schadet Dir's? Bist Du des Mädchens Vormund? Bist Du der meinige? Lasse mich gewähren; lasse mich mein Glück machen.«
»Wenn Du das ein Glück nennst, wenn Du es dafür halten kannst, dann bleibt mir nichts mehr zu bemerken. Nur noch zu bitten bleibt mir, Du mögest mich von diesem Augenblicke an nicht weiter in's Vertrauen ziehen. Ich will, ich darf nicht wissen, was unter meinem Dache geschieht wider die Ehre einer unbescholtenen Familie.« – Mit diesen unwillig gesprochenen Worten wendete sich Emil von Gustav und verließ dessen Schlafgemach. Doch in der Thüre kehrte er noch einmal um, schlug in dem Buche, woraus er, ehe der Tafeldecker die Punschangelegenheit beförderte, vorgelesen hatte, eine Stelle auf, bezeichnete dieselbe durch das umgebogene Blatt, legte das Buch vor Gustav auf den Tisch und sagte: »Lebe wohl!«
»Das klingt ja wie eine Trennungsformel?« murmelte Gustav, sobald er allein war; »was soll ich mir denn aus diesen hochtrabenden Gedichten zu Gemüthe führen?« Und er las:
›Freund, es war ein eitles Wähnen,
Daß sich uns're Geister fänden,
Uns're Blicke sich verständen,
Sich vermischten uns're Thränen.
Laß' mich denn allein, versäume
Nicht um mich die gold'nen Tage,
Kehre wieder zum Gelage
Und vergiß den Mann der Träume.‹
»Das kann geschehen,« sprach der junge schöne Mann gähnend und sich dehnend; »das kann geschehen; aber hol' mich der Teufel, nicht eher, als bis ich mit Carolinen und ihres Vaters Gelde in Ordnung bin.«
Vierzehntes Capitel.
Es konnte den Damen unmöglich verborgen bleiben, daß zwischen Emil und Gustav etwas vorgefallen, daß eine Entfremdung eingetreten war, die bei Ersterem den Charakter verletzter Freundschaft, stummen Grolles annahm, obwohl sie sich nur in den verbindlichsten Formen aussprach und durch übertriebene, unvertrauliche Höflichkeit sich verrieth. Außerdem suchte der Herr von Schwarzwaldau, wie er bis dahin gleichsam durch Zauber an seinen Gast gebunden schien, jetzt jede nur ersinnliche Gelegenheit hervor, ihn und das Schloß zu verlassen; widmete sich den im Winter mühsam aufzufindenden Wirthschafts-Beschäftigungen mit unerhörtem Eifer; und es blieb Gustav nicht selten Tage lang bei Agnes und Carolinen allein. Daß er diese Zeit nicht unbenützt ließ, begreift sich aus seinen, im vorigen Abschnitte ausgesprochenen Vorsätzen. Daß Caroline ihm mit vollen Segeln entgegen zog, ist eben so erklärlich. Daß aber Agnes durch diese plötzliche Wendung der Dinge sich verletzt fühlte; ja, daß sie dieß zeigte, dürfte eher befremden. Wäre anzunehmen, daß ihr Gatte von Gustav's eigennützigen und sträflichen Plänen ihr Mittheilung gemacht? daß sie aus eigener Anschauung auf die richtige Spur gerathen sei? Dann läge eine Erklärung nahe. Doch da dieß unmöglich ist, so müssen wir annehmen, auch in ihrem reinen Herzen regen sich eifersüchtige Gefühle; auch sie, deren Kälte und Gleichgiltigkeit gegen jede erotische Empfindung Emil nicht streng genug schildern konnte, wenn er mit Gustav über die geistigen Vorzüge und edlen Eigenschaften der Gattin sprach, habe nun im Innern ihres Busens erlebt, was sie noch nicht kannte; habe erfahren, daß auch sie ein Weib sei. Wer ist befähiget solche Fragen und Zweifel genügend zu entscheiden? Der Erzähler muß sich, will er Gegebenheiten schildern, gar häufig mit Vermuthungen, mit Andeutungen begnügen und dem Leser überlassen, aus eigener Seele zu errathen und zu ergänzen, was des Schriftstellers Feder mit festen Zügen hinzustellen nicht wagt. Genug, zwischen Agnes und ihrem weiblichen Gaste trat ebenfalls eine Spannung ein; nur mit dem Unterschiede, daß sie nicht wie ihr Gemal entfliehen, daß sie nicht den Rücken kehren konnte, wo Pflichten der Hausfrau sie fest hielten, Zeugin zu bleiben eines vor und neben ihr sich rasch entfaltenden Liebeshandels. So trat sie denn, – und wer vermag auch hier zu erforschen, was dabei in ihr vorging? – trat sie zwischen Gustav und Carolinen mit dem Uebergewicht ihrer Schönheit, ihres Verstandes, ihrer stolzen Ruhe; mit allen Vortheilen, welche letztere ihr verlieh. Gustav wurde aufmerksam und blieb auf halbem Wege stehen. Er empfand den Wechsel in ihrem Benehmen gegen ihn. Er wurde davon ergriffen: seine Eitelkeit begann sich aufzulehnen wider die Berechnungen einer niedrigen Speculation; sie
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