Schwarzwaldstrand
Gedanken daran kam ihm gar nicht so falsch vor. Ein, zwei derartige Nächte noch, dann würde er genug haben. Doch ein wenig musste er noch durchhalten.
Und sei es nur, um zu verhindern, dass dieser Italiener Martina noch näher kam.
Bei Haralds gegenüber wäre das Kennwort klar gewesen. »Schalke«, oder vielleicht allenfalls »Scheià BVB «.
Aber was beschäftigte denn seine Tochter auÃer Maximilian?
Didi vielleicht â vielleicht aber auch nicht mehr â¦
Konzentriere dich, Hubertus, versuchte er sich Mut zuzureden. Viele Versuche hatte er vermutlich nicht mehr, irgendwann würde das iPad gesperrt sein. Und dann gäbe es richtig Ãrger.
Inzwischen war es schon hell, und die ersten Frühaufsteher schlurften vorbei â glücklicherweise keine Schwarzwälder.
Aus einem Radio ertönte leise Musik. Haralds waren das nicht.
Tatsächlich etwas Italienisches! Hummel nahm es dankbar auf. Felicità , da-da-da-daaa-da, da-da-da-daaa-da-felicitià  â¦
Plötzlich glaubte er, den Schlüssel zum Kennwort gefunden zu haben. Allmählich war es ja fast eine Prinzipienfrage, eine Frage der Ehre, inwieweit er die Gedankenwelt Martinas als Vater nachvollziehen konnte.
Musik! Was war noch mal ihre Lieblingsband?
»Tokyo Hotel« gab er ein. Nichts. Verdammt!
Schrieben die sich etwa gar nicht mit Ypsilon, sondern mit »i«? Das waren doch Deutsche.
Ein neuer Versuch, und: wieder nichts.
Hm. Wenn er es sich genau überlegte, dann war Tokio Hotel vermutlich inzwischen in den Augen Martinas fast genauso tot wie die Beatles â¦
Was hörte sie denn sonst so?
Wie hieà diese Band von diesem Typen mit der tiefen Stimme, der in den letzten zwei, drei Jahren so erfolgreich war? Irgendwas Religiöses â¦
»Unheilig«, genau. Komischer Name. Aber egal â rein damit in den Computer. Es war der zehnte und letzte Versuch.
Treffer!!
Hubertus schnaufte tief durch und pfiff »Felicità « mit.
Als er auf der Homepage des Kurier war, verging ihm das Pfeifen.
Der angebliche Mord an der Italienurlauberin war die erste Meldung. Ach was, Meldung: die erste Geschichte. Eine Riesengeschichte. Mit Bildern.
Zu sehen war ein Ãbersichtsplan des Campingplatzes und daneben tatsächlich ein Foto der Frau.
Ein Passbild.
Hubertus konnte nicht anders, als Riesle gegen seinen Willen einen gewissen Respekt zu zollen. Er hatte wieder einmal ganze Arbeit geleistet. Weià der Himmel, woher er das Bild der Frau hatte.
Hummel überkam ein seltsames Gefühl, die Tote, die er gestern gefunden hatte, nun erstmals noch lebend zu sehen.
Dem Bericht nach hieà sie Beate Kollmann, war zum Zeitpunkt ihrer Ermordung achtunddreiÃig Jahre alt und in Unterkirnach wohnhaft gewesen.
Hubertus starrte auf das iPad. Zunächst hatte er es noch für möglich gehalten, dass Riesle einfach irgendein falsches Bild besorgt hatte, doch erkannte er die Gesichtszüge der Toten wieder.
Sie hatte ein eigentlich schönes, aber allzu ernstes Gesicht. Beinahe schon müde und erschöpft sah sie aus, als ahne sie, was ihr bevorstehe.
Sie war gut geschminkt, hatte dunkle, längere Haare.
Er versuchte, etwas Auffälliges zu erkennen, was vielleicht mit dem späteren Tod der Frau zusammenhängen konnte â ohne auch nur ansatzweise einen Schimmer zu haben, was das sein könnte.
Hummel überlegte, was für und was gegen eine natürliche Todesursache sprach.
Tatsächlich erschien es widersinnig, dass die Frau sich mitten in der Nacht mit einem Bikini an den Strand zum Sonnenbaden gelegt haben könnte. Auch nicht zum Mondbaden. Und vor allem: Wie sollte sie mitten in der Nacht einen Hitzschlag bekommen haben?
Aber genügte das schon für die Annahme, dass ein Gewaltverbrechen dahintersteckte?
Der Arzt vor Ort war ja sicher auch kein Amateur gewesen. Der würde schon gute Gründe gehabt haben, colpo di calore als Todesursache anzugeben.
Oder hatte es sich um einen Unfall gehandelt, und jemand hatte die Frau an den Strand gelegt, um den Vorfall zu vertuschen?
Allerdings wäre auch das ein Fall für die Polizei.
Dann würde Riesle mächtig Ãrger bevorstehen â nicht zuletzt aufgrund der Ãberschrift »Mord am Schwarzwaldstrand«.
Auch der Einstieg in den Artikel war alte Riesle-Schule: »Mehrere Hundert Menschen aus der Region Villingen-Schwenningen genieÃen derzeit ihren
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