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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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und nach der kurzen Nacht wahrscheinlich wirkte wie ein halber Zombie. Bereitwillig und zu müde für Gegenwehr wechselte er seinen Standort und plauderte mit Brock über das Wetter.
    »… der Rabenmann geholt.« Eine ältere Frauenstimme.
    »Jetzt doch noch nicht«, sagte eine andere verhalten.
    »›Alles hat seine Zeit.‹ Du hast es doch gehört!« Ein Tuscheln.
    Hanna begann fröhlich über Wolkenformen zu plaudern. »Das lenkt sie von uns ab«, flüsterte sie Ehrlinspiel zu.
    Der Hauptkommissar hätte am liebsten den Kopf geschüttelt, doch auch er war nun neugierig geworden. »Die Stratus fractus deuten schon seit Tagen auf das schlechte Wetter hin«, sagte er trocken.
    »Wie recht Sie haben.« Die Redakteurin schob sich zwischen zwei Gruppen hindurch. Ehrlinspiel schlenderte neben ihr her.
    »… war mit der Sina schon so. Es wird nie aufhören.« Die erste Stimme.
    »Ihr Grau ist dunkler als das der Wolken darüber«, sagte Ehrlinspiel und schielte zu einem jüngeren Mann mit schief sitzendem Krawattenknoten. Hatte er von ihm den Namen Hedwig gehört? Sinas Mutter?
    »Wer Sünde begeht …«, nickte eine Frau mit Kopftuch.
    »Und während die Stratus ihre Form verändern«, plauderte Hanna Brock weiter, »regnet es aus den Wolken der oberen Schicht durch sie hindurch.«
    Der Hauptkommissar war perplex.
    »Sie hat den Tod gerufen«, sagte im selben Moment ein Mann, den Ehrlinspiel schon in der
Heugabel
gesehen hatte. »Und jetzt ist
er
dran.«
    »Sünde!« Das Kopftuchweib umklammerte eine Handtasche.
    »Das ist doch alles Humbug«, brummte ein blonder Klotz. Es war einer der Männer, die bei der nächtlichen Suche mitgemischt hatten. »Wie lange dauert das denn noch?« Der Klotz zeigte in den Himmel, wo der Hubschrauber mit monotonem Rattern unter den Wolken entlangglitt. »So weit kann der doch nicht sein.«
    »Genau!« Der Glatzkopf tauchte wieder auf, gefolgt von einem Trupp derb aussehender Männer, darunter der Geier, der den Mistgabel-Suchtrupp demonstrativ verlassen hatte. »Die armen Sommers! Sollen die ewig auf Gerechtigkeit warten?«
    Grummelnde Zustimmung erhob sich.
    »Wir tun alles, was wir können«, versicherte Ehrlinspiel und dachte, wie klischeehaft sich diese einfache Wahrheit anhören musste.
    »Der Johannes war’s nicht«, sagte ein Alter mit eingefallenem Mund. »Viel zu feige.«
    »Darüber lässt sich streiten«, meinte der Klotz.
    »Nein, lässt sich nicht«, beharrte der Alte.
    Ehrlinspiel straffte die verspannten Schultern. Da war sie wieder, die Rhetorik der Bauern. Dieses großartige Hin und Her von Aussagen und Unterstreichungen, gewichtig und albern zugleich.
    »Wirst schon sehen«, blaffte der Klotz den Alten an.
    »Sünde«, flüsterte das Kopftuch.
    »Und es war doch der Rabenmann. Wir werden es alle bereuen«, sagte jemand leise.
    »Wir müssen uns vorbereiten«, raunte ein anderer und deutete mit dem Kopf zum Gasthaus. »Kommt, wir gehen zu Willi.«
    Langsam zerstreute sich die Menge. Ehrlinspiel und Hanna Brock gehörten zu den Letzten unter den kahlen Bäumen.
    »Puh«, seufzte der Hauptkommissar.
    »Ist doch spannend.«
    »Finden Sie?« Er fühlte sich nicht gerade wohl in dem Nest züngelnder Schlangen. Doch wenigstens konnte er ein paar Kandidaten nun einordnen.
    »Der Rabenmann, wer ist das?« Sie sah ihn an.
    »Hat der Pfarrer Ihnen das nicht eben erklärt?«
    »Die Wege des Herrn sind lauter Güte und Treue für alle, die seinen Bund und seine Gebote halten.«
    »Aha.« Ehrlinspiel vergrub die Hände in den Taschen. Wenn nur das Handy klingeln und ihm jemand mitteilen würde, dass sie eine Spur gefunden hatten.
    »Ein Psalm. In der Predigt hat er von Dämonen gesprochen, von der Manifestation des Satanischen im Menschen. Von Toten, die durch unsere Schuld gestorben sind. Und davon, dass die Gemeinschaft im Glauben Buße tun muss.«
    »Die Bibel kennt da kein Erbarmen.« Er bewegte die Zehen in den Schuhen und wünschte, er hätte zwei Paar Socken angezogen.
    »Beim Rausgehen habe ich den Pfaffen gefragt, was das für Dämonen seien. Der Psalm war sein Kommentar dazu.« Sie lächelte. »Aber Sie kennen die Teufelchen ja schon persönlich?«
    »Genauso gut wie Sie die Wolken.«
    Hanna lachte und warf ein Ende ihres Schals, das heruntergerutscht war, wieder über ihre Schulter. »Wollen wir eine Kleinigkeit zusammen essen? Im Warmen redet sich’s besser. Es ist sowieso fast Mittag.«
    Ehrlinspiels erster Impuls war ein Nein. Solange Johannes Beyer frei herumlief,

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