Schweig still, mein Kind / Kriminalroman
offenes Lachen in ihrem runden Gesicht. Es stand ihr gut.
»Wir suchen ihn. Sie gehen zum Posten und lassen auch seinen Wagen ausschreiben. Außerdem –«
»Das mit dem Auto können wir uns sparen.« Neben ihnen hielt der Pick-up. Margarete Beyer stieg aus, grüßte und öffnete die Heckklappe.
»Besuch bei meinem Mann?« Kläffend sprangen die drei Hunde von der Ladefläche.
»Leider ist er nicht hier. Wissen Sie, wo er ist?« Ehrlinspiel wehrte eine triefende Hundeschnauze ab.
»Aus, Tommy.« Margarete pfiff die Hunde zurück und antwortete gleichgültig: »In der Kneipe, nehme ich an.«
»Nein.« Ehrlinspiel sah sie an. Unter ihrem Auge prangte ein dunkelroter Fleck. »Sind Sie gefallen?«
Wortlos schlug sie die Heckklappe zu.
»Darf ich fragen, wo Sie waren?«, wechselte er das Thema.
»Ich bin herumgefahren.« Sie hielt seinem Blick stand.
»Wo?« Er hielt den Regenschirm über die schwangere Frau.
»In der Gegend. Ich habe niemanden besucht und war alleine.«
Ehrlinspiel betrachtete sie skeptisch. »Ihr Mann hat die Tiere nicht versorgt. Kommt das öfter vor?«
Zynisch verzog sie den Mund. »Nein. Für
die
ist er immer da.«
»Wann ist er fort?«
»Kurz nach Ihnen, heute Morgen. Gegen zehn.«
»Frau Beyer, dürften wir einen Blick in das Haus werfen?«, übernahm Evers das Gespräch.
»Wozu?«
»Möglicherweise ist er nicht freiwillig gegangen, und ihm ist etwas zugestoßen. Wir würden gern sehen, ob er etwas mitgenommen hat.«
»Wie Sie meinen. Ich habe nichts zu verstecken.«
»Eine Ihrer Kühe kalbt. Zwei Nachbarn sind da. Kümmern Sie sich darum. Bitte. Und um die anderen Tiere.«
Margarete nickte, schloss die Haustür auf, und jede Faser ihres Wesens schien zu sagen: Die Viecher meines Mannes sind mir genauso zuwider wie er selbst.
Sie stellten das Haus vom Keller bis zum Dachstuhl auf den Kopf, trugen alles in ein Protokoll ein und vermerkten, dass Margarete Beyer mit der Durchsuchung einverstanden gewesen war. Kurz nach einundzwanzig Uhr verabschiedeten sie sich von ihr.
»Sieht nicht nach geplanter Flucht aus«, sagte Evers, als sie in die Dunkelheit unter das schmale Vordach hinaustraten. »Und wir haben nichts gegen ihn in der Hand. Aber wenigstens hat er sich nicht erhängt da drin aus lauter Kummer.«
»Oder aus Reue über einen Mord. Also«, konzentrierte Ehrlinspiel sich auf das weitere Vorgehen, »heute Nacht gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten. Suchhunde haben bei dem Wetter keine Chance. Es sei denn, wir fordern Mantrailer an.«
»Die Supernasen, die noch nach Tagen aus Tausenden Gerüchen eine individuelle Duftspur erschnüffeln können? Personensuchhunde?«
Ehrlinspiel bejahte. »In Freiburg haben wir zwar hervorragende Drogenhunde, aber keine Mantrailer. Bis die aus der Nordschweiz oder vom Rettungsdienst angefordert und hier sind, dauert es Stunden. Und außerdem«, er machte eine ausschweifende Bewegung, »wo sollten wir anfangen? Das Suchgebiet ist riesig. Und wir haben keine Ahnung, in welche Richtung Beyer sich abgesetzt hat.«
Vom Stall hörten sie Stimmen. Gestalten traten aus dem erleuchteten Rechteck der Tür ins Freie.
»Es ist Samstagnacht«, fuhr er fort und beobachtete die Männer. »Sie wissen selbst, dass man da kaum Einsatzkräfte kriegt, vor allem, wenn das Land dünn besiedelt ist. Wir sind leider nicht im Film, wo auf ein Fingerschnippen hin volle Action einsetzt.«
Beim Stall blitzten Lichter auf, und der Hauptkommissar erkannte eine Handvoll Männer. Ihre gelben Regenjacken und -hosen glänzten im Regen. Er ahnte nichts Gutes.
»Das sind aber nicht nur die beiden Geburtshelfer«, sagte Evers. »Was machen wir?«
»Kein blinder Aktionismus! Rufen Sie die Bereitschaftspolizeidirektion an. Die sollen Einsatzkräfte für eine Suchaktion organisieren. Am besten noch im Morgengrauen. Samt Hubschrauber mit Wärmebildkamera. Morgen spielt der Freiburger Sportclub. Das ist gar nicht schlecht, denn da versammelt sich ein Riesenaufgebot an Polizei. Vielleicht kann die Erste Bundesliga ja auf einen Zug verzichten, und die dreißig Mann kommen zu uns, anstatt Fußballfans im Zaum zu halten.«
»Ist das nicht etwas viel Aufwand für –«
»Frau Evers! Beyer ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit entweder ein Mörder oder ein weiteres Opfer. In beiden Fällen ist voller Einsatz angesagt. Falls er geflohen ist, hat er das vermutlich auf Schusters Rappen getan – und hält sich noch in der Region auf. Ergo drehen wir hier jeden Stein um. Also:
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