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Schweig um dein Leben

Schweig um dein Leben

Titel: Schweig um dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass er sofort das Tor öffnen würde, doch stattdessen kam er aus seinem Häuschen heraus und unterzog Steve einer strengen Musterung, bevor er um den Wagen herumging und in jedes Fenster schaute.
    Als er auf meiner Seite ankam, blieb er stehen. »Ihre Großmutter hat mir nichts davon gesagt, dass sie heute noch jemanden erwartet«, sagte er. »Ich muss sie anrufen und fragen, ob ich Sie durchlassen darf.«
    »Sie kennen mich, seit ich zwölf bin, Pat!«, sagte ich fassungslos. »Seit wann brauche ich eine Sondererlaubnis, um meine Großmutter zu besuchen?«
    »Die Zeiten haben sich geändert«, brummte Pat. »Wir dürfen keinen mehr reinlassen, dessen Namen nicht auf der Besucherliste steht. Und Ihre Großmutter hat niemanden auf die Liste gesetzt. Sie hat mich gebeten, sie zu informieren, wenn jemand zu ihr möchte.«
    »Aber das hat sie doch früher nicht gemacht.«
    »Wie schon gesagt, die Zeiten haben sich geändert«, erwiderte Pat geduldig.
    Er ging in sein Häuschen zurück, und ich sah, wie er zum Hörer griff, eine Nummer wählte, irgendetwas sagte, nickte und wieder auflegte.
    »In Ordnung«, meinte er, als er wieder herauskam. »Ich darf Sie durchlassen, aber sie möchte, dass Sie allein kommen, ohne Ihren Freund.«
    »Kein Problem«, sagte Steve. »Ich warte einfach hier, bis du weißt, ob du bleiben kannst.«
    »Nicht nötig«, lehnte ich ab. »Ich bin mir sicher, dass sie mich zumindest für eine Nacht aufnimmt.«
    Ich stieg aus dem Wagen und auch Steve stieg aus und holte meine Tasche aus dem Kofferraum.
    »Was hast du da drin? Backsteine?«, versuchte er mit einem schiefen Grinsen die Stimmung zwischen uns aufzulockern.
    »Danke, dass du mich abgeholt hast«, war alles, was ich darauf erwiderte. »Ich hätte dich nicht darum gebeten, wenn ich gewusst hätte, dass …«
    »Ich habe es gern gemacht«, unterbrach Steve mich schnell. »Es ist schön, dass du wieder da bist.« Er beugte sich zu mir hinunter und streifte mit seinen Lippen flüchtig meine Wange. »Wenn du irgendetwas brauchst, ruf einfach an. Du bedeutest mir immer noch etwas, auch wenn sich meine Gefühle für dich verändert haben. Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen, und irgendwie muss das Leben ja weitergehen.«
    Ich antwortete nichts darauf, weil ich wusste, dass ich sonst in Tränen ausgebrochen wäre. Stattdessen nahm ich meine Tasche und hastete die Einfahrt hoch. Kurz bevor ich den kleinen, von Farn und Blumen gesäumten Pfad zu Loreleis Apartment erreicht hatte, blieb ich noch einmal stehen und sah über die Schulter zurück. Steve stand immer noch neben seinem Wagen vor dem Tor und blickte mir nach. Als er sah, dass ich mich umgedreht hatte, hob er die Hand und winkte. Ich blinzelte die Tränen weg und ging weiter.
    Vor der Tür meiner Großmutter angekommen, stellte ich die Tasche ab und klingelte. Lautes Bellen aus dem Inneren ließ mich erschrocken zusammenzucken. Kurz darauf hörte ich Lorelei rufen: »Geh ein Stück von der Tür weg!«
    Ich trat ein paar Schritte zurück, damit sie mich durch den Spion sehen konnte, etwas, das sie früher nie gemacht hatte. Ein paar Sekunden später hörte ich, wie das Schloss entriegelt wurde, dann schwang die Tür nach innen auf und gab den Blick auf eine Frau frei, die ich kaum wiedererkannte.
    »Da bist du also«, seufzte sie. »Ich hatte nichts anderes erwartet. Du warst schon immer ein Sturkopf.«
    »Lorelei«, flüsterte ich entsetzt. »Was ist passiert?«
    »Hör auf, mich so anzustarren, und komm endlich rein.«
    Sobald ich eingetreten war, schloss sie die Tür hinter mir und verriegelte sie sorgfältig, während Porky schwanzwedelnd an mir hochsprang und außer sich war vor Freude, mich wiederzusehen. Aber ich stand bloß da und starrte weiter ungläubig meine Großmutter an. Ihr rechter Arm war vom Handgelenk bis zur Armbeuge eingegipst und über ihre komplette linke Gesichtshälfte zog sich ein grün-gelb schillernder Bluterguss.
    »Was ist passiert?«, fragte ich noch einmal. »Hattest du einen Unfall?«
    Lorelei schnaubte. »Das habe ich meiner eigenen Dummheit zu verdanken, weil ich so blauäugig war, einem Fremden die Tür aufzumachen.«
    Sie ging ins Wohnzimmer voran, wo sie auf die Couch sank, als wären ihre Beine zu müde, um sie zu tragen. Ich setzte mich eilig neben sie, griff nach ihrer unverletzten Hand und wappnete mich für das, was sie mir gleich erzählen würde.
    »Vor einer Woche rief Pat an und sagte, es wäre ein

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