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Schweig um dein Leben

Schweig um dein Leben

Titel: Schweig um dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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sie vermissen würde, aber dass ich nicht länger wie eine Verbrecherin auf der Flucht leben könnte. Dann kaufte ich einen Umschlag und eine Briefmarke und warf ihn in einen der Briefkästen in der Flughafenhalle, bevor ich mich auf den Weg zu meinem Gate machte.
    Zum Glück hatte ich diesmal einen Sitznachbarn, der alles andere als gesprächig war. Ich saß am Fenster neben einem Anzugträger mit Aktenkoffer, der seine Nase den gesamten Flug über in seine Zeitung steckte, während ich die Wolken beobachtete, die sich unter dem Flugzeug bauschten wie die herausquellende Füllung einer Matratze. Ich versuchte, mir vorzustellen, wie meine Eltern auf meinen Brief reagieren würden. Nach meiner Berechnung würde er am Montagmorgen ankommen, ungefähr zu der Zeit, zu der sie mich von Kim zurückerwarteten. Mom würde ihn als Erste lesen und dann Dad anrufen. Ich sah sie vor mir, wie sie von den unterschiedlichsten Gefühlen erfasst werden würden – Schock, Wut, Enttäuschung und schließlich, so hoffte ich jedenfalls, Verständnis für meine Entscheidung.
    Als eine Flugbegleiterin durch die Reihen ging und kleine Snacks verteilte, nahm ich ein Tütchen Chips, aber meine Kehle war so zugeschnürt, dass ich kaum etwas runterbrachte. Je näher wir Norwood kamen, desto aufgeregter wurde ich.
    Loreleis Reaktion auf meinen Anruf war ein Schock für mich gewesen. Ihr Apartment war groß genug für zwei Personen, und früher hatte sie sich immer gefreut, wenn ich bei ihr übernachtet hatte. Warum hatte sie am Telefon so abweisend geklungen? Wollte sie mich nicht in ihrem Leben zurückhaben? Und was war mit Steve? Sah er mich immer noch als seine Freundin an? Was, wenn er nicht da war, um mich abzuholen?
    Als wir mit dem Landeanflug auf Norwood Airport begannen, war ich so nervös, dass ich es kaum schaffte, den Gurt anzulegen. Kaum hatte das Flugzeug seine Halteposition erreicht, zog ich meine Tasche unter dem Vordersitz hervor und stürmte als eine der Ersten den Mittelgang entlang. Ein paar Minuten später trat ich in die Ankunftshalle und blickte mich suchend um. Und da sah ich ihn – ein hübscher dunkelhaariger Junge in einem rot-weiß gestreiften Hemd.
    »April!«, rief er. »Hier drüben, April!«
    »Steve!« Ich ließ meine Tasche fallen, lief zu ihm und warf mich in seine ausgebreiteten Arme.

VIERZEHN
    »Du bist da!« Ich vergrub den Kopf an seinem Hals und atmete tief den vertrauten Duft seiner warmen Haut ein.
    »Natürlich bin ich da!«, sagte er und drückte mich an sich. »Als Billy mir erzählt hat, dass du angerufen hast, konnte ich es kaum fassen. Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, dich jemals wieder zu sehen. Als du gerade herausgekommen bist, musste ich zweimal hinschauen, um dich zu erkennen. Ich habe mir Rapunzel nie ohne ihre wunderschönen Haare vorgestellt.«
    Er schob mich sanft von sich weg, um mich anschauen zu können. »Erzähl. Wo warst du?«
    »Frag nicht«, sagte ich. »Ich darf nicht darüber sprechen. Wir mussten weg, weil Dad in dem Loftin-Prozess als Zeuge ausgesagt hat. Ein Mann wurde getötet und wir mussten untertauchen. Es war schrecklich, und ich bin wahnsinnig froh, wieder zu Hause zu sein.«
    »Was ist mit deiner Familie?« Steve blickte suchend an mir vorbei.
    »Ich bin allein gekommen«, sagte ich. »Ich werde bei meiner Großmutter wohnen. Jedenfalls hoffe ich, dass Lorelei mich aufnimmt. Sie war nicht gerade begeistert, als ich ihr erzählt habe, dass ich komme. Aber ich glaube nicht, dass sie mir die Tür vor der Nase zuschlägt, wenn ich vor ihr stehe.«
    »Ganz bestimmt nicht«, lächelte Steve. »Das würde sie nie tun. Sie war wahrscheinlich zu überrascht. Jodi hat versucht, sie anzurufen, nachdem sie dich in Disney World getroffen hat, aber sie hat sie nie erreicht.«
    Er nahm meine Tasche, legte den Arm um meine Schultern und führte mich zum Ausgang. »Alle hier haben sich wahnsinnige Sorgen um dich gemacht, nachdem du so plötzlich verschwunden bist. Als du nachmittags nicht auf dem Tennisplatz warst, dachte ich zuerst, dass wir aneinander vorbeigeredet hätten. Aber als ich dann abends zu dir gegangen bin und alles dunkel und verschlossen war, euer Auto aber noch dastand, wusste ich, dass irgendwas Schlimmes passiert sein musste.«
    »Es ging alles so schnell«, sagte ich. »Wir durften mit niemandem telefonieren. Am Anfang dachten wir noch, wir wären bloß für ein paar Tage weg. Aber dann sind aus Tagen Wochen geworden und aus Wochen Monate. Ich hatte

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