Schweig um dein Leben
Bus zu erwischen. Eine Stunde später erreichte ich den Busbahnhof von Sarasota, wo ich mir ein Taxi zum Flughafen nahm.
Ich bezahlte mein reserviertes Ticket, checkte ein und steuerte dann eines der öffentlichen Telefone in der Wartehalle an. Als ich Steves Nummer wählte, sah ich, dass meine Hände zitterten. Ich konnte nur hoffen, dass niemand den Anruf zurückverfolgen würde und damit unsere Spur aufnehmen konnte. Ungeduldig lauschte ich dem Freizeichen, doch die Stimme, die schließlich antwortete, war nicht die, auf die ich gehofft hatte.
»Hallo, Billy«, sagte ich. »Kann ich bitte mit Steve sprechen?«
»Er ist grade nicht da«, antwortete Steves kleiner Bruder. »Aber er wollte zum Abendessen wieder zu Hause sein. Bist du das, Sherry?«
»Nein«, sagte ich. »Hier ist April.«
»April?«, rief Billy aufgeregt. »Von wo rufst du an? Steve hat gesagt, du wärst weggezogen, und er wüsste nicht, wohin.«
»Stimmt, aber jetzt komme ich zurück«, sagte ich. »Meine Maschine landet heute Abend um sechs, und es wäre toll, wenn Steve mich am Flughafen abholen könnte. Hast du was zu schreiben da, damit ich dir die Flugnummer durchgeben kann?«
»Ich hol kurz einen Stift.« Billy legte den Hörer zur Seite.
Er schien eine kleine Ewigkeit dafür zu brauchen, und ich musste ständig neue Münzen nachwerfen. Als er endlich zurück war, diktierte ich ihm die Nummer und ließ sie ihn anschließend wiederholen, um sicherzugehen, dass er auch wirklich alles richtig notiert hatte.
Dann unterbrach ich die Verbindung, steckte die nächste Münze in den Schlitz und wählte erneut. Dieses Mal musste ich es so lange klingeln lassen, dass ich schon dachte, meine Großmutter wäre nicht zu Hause. Gewundert hätte es mich nicht, denn samstagnachmittags spielte sie meistens mit ein paar Freundinnen im Country Club Bridge.
Ich wollte gerade wieder auflegen, als ich hörte, wie abgehoben wurde, aber statt eines freundlichen »Ja, bitte?« empfing mich Stille.
»Hallo?«, sagte ich zögernd. »Lorelei?«
»April?« Die Stimme meiner Großmutter klang seltsam angespannt. »Wieso rufst du hier an? Ist etwas passiert?« Das war nicht die Begrüßung, mit der ich gerechnet hatte.
»Nein, alles in Ordnung. Uns geht es gut«, sagte ich.
»Warum rufst du dann hier an?«, fragte Lorelei noch einmal vorwurfsvoll. »Nicht einmal deine Mutter darf mich anrufen. Erzähl mir auf keinen Fall, wo ihr seid. Es ist nämlich gut möglich, dass mein Anschluss abgehört wird.«
»Keine Sorge, ich verrate nichts, und ich rufe von einem öffentlichen Telefon an. Lorelei – ich komme nach Hause. In gut einer Stunde geht mein Flug. Ich will bei dir wohnen, bis ich die Schule abgeschlossen habe, und danach wie geplant auf die Duke gehen.«
»Das halte ich für keine gute Idee«, entgegnete Lorelei. »Was sagen deine Eltern dazu? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dich einfach so gehen lassen.«
»Sie wissen nichts davon«, gab ich widerstrebend zu. »Ich hab ihnen erzählt, ich würde das Wochenende bei Kim verbringen, das ist die Cousine von Larry Bushnell, ein Junge, den ich …«
»Wo auch immer du gerade bist, April«, unterbrach Lorelei mich »du gehst auf der Stelle zu deinen Eltern zurück. Ich will nicht, dass du hierherkommst, und ich möchte auch nicht, dass du noch mal anrufst. Du hast ja keine Ahnung, in welche Gefahr du uns alle damit bringst. Es sind ein paar schreckliche Dinge vorgefallen. Vermutlich weißt du es noch nicht, aber Richard Loftin wurde umgebracht.«
»Dad hat es mir erzählt«, sagte ich. »Loftin wusste zu viel, und diese Drogentypen hatten Angst, dass er als Kronzeuge gegen sie aussagen könnte, deswegen haben sie ihn ausgeschaltet. Aber ich bin für niemanden eine Bedrohung, sondern bloß eine Jugendliche, die nach Hause kommen möchte, um die Highschool abzuschließen und …«
Ich wurde von einer Stimme in der Leitung unterbrochen, die mir sagte, dass mein Guthaben gleich aufgebraucht sei und ich neues Geld einwerfen solle, aber weil ich so lange mit Steves Bruder telefoniert hatte, waren mir die Münzen ausgegangen.
»Ich komme nach Hause«, sagte ich hastig. »Ob du willst oder nicht. Wenn du mich nicht bei dir aufnimmst, frage ich eine meiner Freundinnen von der Schule, ob ich bei ihr wohnen kann.« Dann legte ich auf.
In der Zeit, die mir noch bis zum Abflug blieb, schrieb ich einen Brief an meine Eltern, in dem ich ihnen erklärte, was ich vorhatte, und ihnen sagte, dass ich sie liebte und
Weitere Kostenlose Bücher