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Schweigenetz

Titel: Schweigenetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Riesen.
    Irgendwann bemerkte er den schweren Transporter, der ihnen in einiger Entfernung folgte. Langsam, als gehöre er nicht zu ihnen. Er konnte sich denken, was der Wagen geladen hatte.
    »Die Nachhut?«, fragte er, an die Frau gewandt.
    Sie funkelte ihn mit einem Blick aus ihren grünen Katzenaugen an und gab keine Antwort. Als ob das nötig wäre.
    Der kleine Konvoi passierte öde Hügelketten. Ein scharfer Wind peitschte über die Hänge und jaulte gegen die Scheiben. Einmal geriet der Wagen in eine starke Bö und kam für einen Moment ins Schlenkern. Der Fahrer fing ihn problemlos ab.
    Schließlich erreichten sie das Kloster. Seine dunklen Formen schälten sich wie alte Gebeine aus der Nacht. Ein paar Fenster waren schwach erleuchtet, ansonsten lag der Komplex in undurchdringlicher Finsternis. Als Carsten sich umdrehte, sah er, dass der Transporter verschwunden war. Er musste irgendwo auf den letzten Kilometern zurückgeblieben oder abgebogen sein. Soweit er sich erinnerte, war dort nichts gewesen außer einer Hand voll schmaler Feldwege.
    Nawatzki und von Heiden mussten sich sehr sicher fühlen, denn sie ließen die drei Limousinen ohne Zögern durchs Tor auf den Hof des Klosters fahren. Wenn dies eine Falle war, stolperten sie scheinbar arglos mitten hinein.
    Aber Carsten glaubte nicht an einen solchen Fehler. Sie hatten einen Trumpf in der Hinterhand.
    Zu seiner Überraschung hatte man im Kloster zumindest äußerlich keine besonderen Vorkehrungen getroffen. Er sah zwei Mönche, die schweigend und in sich versunken über den Hof wandelten und von den Besuchern keinerlei Notiz zu nehmen schienen. Sie hätten sich keinen friedlicheren Empfang wünschen können.
    Als die Wagenkolonne zum Stehen kam, öffnete sich die Tür des Haupthauses. Ein V-förmiges Lichtmuster kroch über den Hof. Im hellen Quadrat des Eingangs erschienen mehrere Silhouetten.
    Ihre beiden Bewacher öffneten die Türen und drängten sie ins Freie. Aus dem vorderen Wagen stiegen fünf Männer in dunklen Anzügen. Leibwächter. Die Türen der mittleren Limousine öffneten sich, und heraus stiegen Nawatzki, Michaelis und von Heiden. Die beiden Verlagsleiter trugen graue Jacketts und Hosen mit Bügelfalten. Ein eisiger Windstoß streifte die Gruppe. Michaelis zog seinen schwarzen Mantel enger um den Körper. Carsten fiel auf, dass er und Nina die Einzigen waren, die helle Kleidung trugen. In der Nacht schienen sie zu leuchten.
    Die Gruppe im Eingang des Klosters setzte sich langsam in Bewegung.
    Die Rothaarige beugte sich zu Carsten und Nina vor. »Sie werden keine Dummheiten machen, nicht wahr?«, flüsterte sie gerade laut genug, dass beide es hören konnten. Sie löste den Verschluss ihres Schulterhalfters.
    Beide gaben keine Antwort. Der Mann und die Frau gaben ihnen ein Zeichen vorwärtszugehen. Sie führten sie an Nawatzki und von Heiden vorbei, weiter nach vorne zur Besatzung des ersten Wagens und schließlich an die Spitze der Gruppe. Carsten bemühte sich im Vorbeigehen einen Blick der beiden aufzufangen, aber die Männer schienen ihn nicht einmal zu beachten. Ihre Augen waren starr auf die gegnerische Delegation gerichtet. Nachdem sie sich, begleitet von ihren beiden Bewachern, vorne postiert hatten, zogen der Mann und die Frau ihre Waffen und richteten sie auf seinen und Ninas Kopf. Er spürte die Pistole der Rothaarigen nur wenige Zentimeter neben seiner Schläfe. War es das, worauf sie es angelegt hatten: eine Exekution vor den Augen ihrer Gegner? Eine kleine Darbietung als eindrucksvolle Ouvertüre der Verhandlungen? Er spürte, wie seine Beine bebten.
    »Es ist unhöflich, gleich die Waffen zu ziehen«, sagte eine der Gestalten. Carsten erkannte Fenn. Hinter ihm standen drei Männer und eine Frau mit kurzem Haar. Er wusste nicht, wie Sandra heute aussah, aber so sehr konnte sie sich nicht verändert haben. Wieder kamen ihm Zweifel daran, ob Fenn die Wahrheit gesagt hatte. War Sandra wirklich noch am Leben? Irrsinnigerweise fiel ihm gerade jetzt die Frage ein, weshalb er niemals nach ihrem Grab gesucht hatte.
    Und wenn du es gefunden hättest, was dann? Ein Loch buddeln und reinschauen?
    Auch Fenn erkannte ihn, und Carsten bemerkte für einen Moment maßloses Erstaunen auf seinem Gesicht. Offenbar hatte er sie beide als Letzte hier erwartet. Der ehemalige Agent überspielte seine Überraschung mit einem Lächeln.
    »Tut mir leid, dass es so weit gekommen ist. Ich hätte Ihnen das gerne erspart«, sagte er.
    Carsten versuchte,

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