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Schweigenetz

Titel: Schweigenetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Carsten in die Runde und erntete desinteressiertes Kopfnicken. Sie verließen die Redaktion und gingen mit schnellen Schritten über den Vorplatz ins Stadtzentrum.
    »Wohin willst du?«, fragte sie.
    »Ganz egal. Nur weg von hier.«
    Sie gingen durch die bevölkerte Fußgängerzone zum Chinesen, setzten sich an einen Tisch in der hintersten Ecke und bestellten wahllos das erstbeste Mittagsmenü.
    Nina stützte beide Ellbogen auf den Tisch und sah ihn mit festem Blick an. »Also, was ist los?«
    »Sven Kirchhoff ist tot«, sagte er.
    Ihr Gesicht wurde schlagartig bleich. »Sandras Mann? Das ist doch nicht möglich.«
    »Doch«, sagte er. »Man hat seine Leiche gefunden. Hier in der Stadt.«
    »In Tiefental?« Sie zog scharf die Luft ein. »Aber wieso …«
    Er fiel ihr ins Wort. »Wieso? Wegen mir, natürlich. Ich weiß nicht, was sie damit bezwecken wollen, aber dass ich der Grund bin, ist doch offensichtlich.«
    Sie nestelte an den Verschlüssen ihrer Jackentaschen und suchte nach Zigaretten. Nachdem sie welche gefunden hatte, schob sie sich mit bebenden Fingern eine zwischen die Lippen und steckte sie an. Zum ersten Mal fiel Carsten auf, dass die Nervosität sie fast noch schöner machte. Die fahrigen Bewegungen unterstrichen das Mädchenhafte ihrer Erscheinung.
    »Wer sind denn überhaupt sie?«
    »Wenn ich das wüsste«, erwiderte er schulterzuckend.
    »Ich meine …«, begann sie, schien plötzlich wirklich zu begreifen, was er eben gesagt hatte, und brach ab. »Himmel, seine Leiche war hier in der Stadt?«, fragte sie dann noch einmal ungläubig. »Wo?«
    Carsten wiederholte die Fakten aus der Polizeimeldung. »Ich war vergangenen Donnerstag bei ihm und habe mit ihm gesprochen. Das ist jetzt fast eine Woche her. Als ich samstags noch einmal zu ihm wollte, war er nicht da. Von gestern ganz zu schweigen.«
    »Er hat im Wasser gelegen, sagst du?«
    »Das stand im Bericht.«
    »Aber in der Nähe des Südtors gibt es kein Wasser. Keinen Bach, keinen Teich.«
    Er nickte. »Wahrscheinlich haben sie die Leiche dort erst heute Nacht deponiert. In der Meldung stand, er lag gleich am Wegrand. Wäre er schon früher dort gewesen, hätte man ihn bereits gefunden.«
    Sie dachte einen Moment nach. »Falls du wirklich der Grund bist, aus dem man seine Leiche hierhergebracht hat, muss es mit Sebastian und Michaelis zu tun haben.«
    Er nickte. »Ansonsten wären es ein, zwei Zufälle zu viel, oder?«
    »Aber wo ist die Verbindung? Was hatte Kirchhoff mit den beiden zu tun?«
    Er senkte den Blick und sah auf das Glas, das er geistesabwesend in beiden Händen drehte. Bevor er etwas sagen konnte, kam der Kellner und brachte das Essen. Keiner von beiden rührte etwas an.
    »Ich verstehe weder das eine noch das andere«, sagte er schließlich. »Wie soll ich da die Verbindungen kennen?«
    »Könnte es etwas mit diesen Artikeln zu tun haben? Mit den anderen Morden und diesen Berichten über dieses … wie hieß es noch gleich?«
    »Schweigenetz.«
    »Genau.«
    Er hob die Schultern. »Vielleicht. Was weiß ich …« Dann fasste er einen Entschluss. »Auf jeden Fall sollten wir zur Polizei gehen.«
    »Ohne Beweise?«, meinte sie.
    Er runzelte die Stirn. »Vielleicht reicht es schon, wenn wir ihnen sagen, was wir in der Kapelle gefunden haben. Sebastian wusste von dem Mord in Budapest, und es dürfte kein Problem sein, nachzuweisen, dass Michaelis zu diesem Zeitpunkt in Ungarn war. Du selbst hast den Flug gebucht.«
    »Wahrscheinlich waren an diesem Tag Hunderte von Deutschen in Budapest. Er war nur einer davon.«
    »Und was ist mit dieser Journalistin?«, fragte er. »Du besorgst Michaelis den Namen, und kurz darauf versucht jemand sie umzubringen. Sag bloß, das ist kein Grund, ihn zu verdächtigen.«
    Nina gab keine Antwort. Sie überlegte.
    Carsten bemühte sich, nicht zu laut zu sprechen. »Selbst wenn alles nur Zufall ist … Wir können der Polizei erzählen, dass wir Angst haben. Ich habe Angst, verdammt nochmal. Was soll denn schon passieren? Schlimmstenfalls erklären sie uns für verrückt und schicken uns nach Hause.«
    Sie schüttelte langsam den Kopf. »Falsch«, meinte sie traurig. »Schlimmstenfalls bringt man uns um, Carsten. Michaelis oder wer auch immer. Sebastian und Sven Kirchhoff sind schon tot. Auf die Journalistin wurde ein Anschlag verübt. Was glaubst du, werden die mit uns machen, wenn wir zur Polizei gehen? Sie werden das nicht zulassen.«
    Darauf fiel ihm keine Antwort ein. Er konnte sehen, wie es hinter

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