Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
Vom Netzwerk:
Tochter.«
    Ich begann zu schwitzen. Mein Körper sonderte flüssige Angst ab.
    »Andy«, rief ich und trat auf den Flur. »Haben Sie dem Anrufer gesagt, wo Jenny ist?«
    Andy kam aus dem Bad. Sein Gesicht glänzte feucht. »Sissi Schmidt«, sagte er.
    »Ist das Jennys Freundin?«
    Er nickte.
    »Wir müssen Jenny abholen, Kea!«, rief Juliane.
    »Es ist 1 Uhr. Mitten in der Nacht«, wandte ich ein.
    »Na und? Der Kerl hat schon über eine Stunde Vorsprung. Haben Sie Sissis Adresse?«
    »Ha … Ha …«
    »Wir fahren hin, Kea. Sie wissen den Weg, Andy?«, fragte Juliane in ihrer bewundernswert praktischen Art.
    Andy nahm seinen Anorak unter den Arm und riss die Haustür auf. In dem hereindringenden Kälteschwall fing ich an zu zittern.

70.
    Juliane steuerte den Alfa nach Andys Vorgaben sicher durch die schlafende Stadt . Der Schnee machte die Metropole still. Ab und zu überholten wir einen Schneepflug. Mir war so kalt, dass ich die Heizung voll aufdrehte und mir meinen Schal um den Kopf wickelte. Irgendwo hatte ich gelesen, dass die meiste Körperwärme über den Kopf entwich.
    Sissi Schmidt wohnte in Haidhausen. Falls ich mich doch irgendwann durchringen sollte, in München zu leben, würde ich mich für Haidhausen entscheiden. Ein schöner, normaler Stadtteil. Kein Schickimicki-Gehabe. Kleinstädtisch und gemütlich. Hier baumelten samstags morgens die Brötchentüten an den Fahrradlenkern. Manchmal, im Frühsommer, liebte ich es, an Samstagen noch vor neun mit der Tram durch die Stadt zu schaukeln. Wenn die echten Münchner unterwegs waren, die noch echtes Münchnerisch sprachen. Einfach rauszugucken und zu fahren und schließlich irgendwo in einem kleinen Café in Haidhausen zu ankern. Zeitung zu lesen und auf dem Markt am Wiener Platz Gemüse zu kaufen.
    Andy dirigierte uns in die Preysingstraße. Schräg gegenüber lag die Sankt-Johannes-Kirche, und auf der anderen Seite eine Kneipe. Ein Grüppchen Leute stand davor und tratschte. In vielen Fenstern blinkte Weihnachtskitsch. Juliane hielt vor einer Litfaßsäule.
    »Bleib im Wagen«, sagte sie, aber sie konnte mich mal. Ich wollte an die Front. Ich war Andys Ghost, auch wenn ein geringfügiger Nebengedanke sich gerade meldete, um mir mitzuteilen, dass dieser nächtliche Einsatz nichts mit Andys Lebensgeschichte und meinem Auftrag zu tun hatte.
    Wir klingelten bei Schmidts. Sie wohnten im Vorderhaus von Nummer 22. Juliane presste ihren Daumen eine gute Minute auf den Klingelknopf und erläuterte Sissis Mutter, die nach einer kurzen Debatte die Tür öffnete, was uns hergeführt hatte.
    »Aber dann …« Frau Schmidt blinzelte kurzsichtig, »müssen wir die Polizei rufen!«
    »Das erledige ich«, krächzte ich. Meine Stimme wurde von Stunde zu Stunde brüchiger. Morgen würde ich keine Silbe mehr sprechen können. Ich wählte Kellers Handynummer.
    »Scheiße, verfluchte!«
    »Was ist?«, fragte Juliane.
    »Er hat nur die Mailbox an.« Ich erklärte so knapp wie möglich, was bei Andy passiert war, was wir uns zusammengereimt hatten, und wo wir waren. »Wir bringen Jenny jetzt heim«, sagte ich und legte auf.
    Kaum hatte ich das Handy weggesteckt, meldete der zweimalige Signalton eine eingehende SMS.
    ›Kea, ich habe Mist gebaut. Melde dich bei mir. Carlo.‹
    Dann geschahen eine Menge Dinge gleichzeitig. Jenny und Sissi wachten auf, stürmten in ihren Schlafanzügen auf den Korridor. Andy drückte seine Tochter an sich. Juliane erklärte zum zweiten Mal die Situation. Frau Schmidt übertönte sie mit einem hektischen: »Aber was wird aus uns, aus Sissi und mir?«
    »Vielleicht sollten Sie alle mitkommen«, sagte Juliane. »Wenn Müllers Leute hier hereinschneien, um Jenny zu holen …«
    »Juliane?«, murmelte ich und hielt ihr das Handy hin. Sie las Carlos Nachricht.
    Wir sahen uns für Sekunden an, bevor Juliane in die Hände klatschte und sagte: »Wir fahren alle zusammen.«
    Dankbar sah ich sie an. Wie gut, dass sie die Initiative ergriff. Als meine Knie nachgaben, lehnte ich mich an die Wand und rutschte in die Hocke. Keiner achtete auf mich. Ich gab die Kurzwahl zu Carlos Handy ein und wartete.
    ›Der gewünschte Gesprächspartner ist zurzeit nicht erreichbar .‹

71.
    »Es ist nach zwei«, seufzte Freiflug . »Wir sollten Schluss machen. Sehr viel mehr können wir heute Nacht nicht mehr tun.«
    Nero sank in seinem Stuhl zurück und schloss für ein paar Sekunden die Augen. Die Müdigkeit war in Aktionismus umgeschlagen. Er fühlte seinen Puls

Weitere Kostenlose Bücher