Schwein gehabt
Unbekannten sausen und knallte mit voller Wucht einen rechten Aufwärtshaken unter sein Kinn. Es knackte fürchterlich. Die Gestalt kippte nach hinten wie ein gefällter Baum und blieb reglos liegen. Ich zog die Taschenlampe aus dem Parka und ließ den Strahl über den Bewusstlosen gleiten. Ich hatte einen Penner zusammengeschlagen. Meine Schläge hatten sein Inneres nach außen gekehrt; er war über und über mit Erbrochenem besudelt. Ich fühlte seinen Puls und war beruhigt. Das Einzige, was dem Bruder fehlte, waren eine Behandlung beim Kieferorthopäden und eine Entziehungskur. Er roch bestialisch nach billigem Fusel.
Ich wendete mich vom Bild des Elends ab, streifte die Handschuhe über und betrat das Gebäude. Nach kurzem Rundgang war ich mit den Lokalitäten vertraut. Die Wache bestand aus einer Zelle, die schon lange keinen Gast mehr beherbergt hatte, zwei Büroräumen, einem Empfangsschalter, an dem die Katzendiebstähle aufgenommen wurden, und einer Toilette. Ich begann die Suche in Reicherts Büro. An der Rückwand strahlte die Taschenlampe einen Aktenschrank an. Die Schlüssel steckten. Einfacher konnte es mir die Polizei wirklich nicht machen.
Da ich davon ausging, dass jeder Bulle faul war und sich nur ungern bückte, war ich überzeugt, dass die aktuellen Fälle in der obersten Schublade zu finden waren. Kaum hatte ich sie aufgezogen, sah ich, dass mein Instinkt mich nicht getäuscht hatte. Die Akten Rudolph und Kofler blickten mich erwartungsvoll an. Ich hielt es für das Beste, die Unterlagen nicht hier zu studieren, sondern mit nach Hause zu nehmen. Also stopfte ich die beiden Mappen in die Jacke, schloss die Schublade und verließ das Gebäude.
Draußen wischte ich die Fingerabdrücke von der Tür, denn beim Knacken des Schlosses hatte ich die Handschuhe nicht übergestreift. Ich überlegte, ob ich Spuren hinterlassen hatte, gelangte aber zu der Einschätzung, den perfekten Einbruch durchgeführt zu haben.
Der Penner lag auf dem Moosboden und schnarchte. Noch sorgte der Alkohol dafür, dass er nichts von seinem lädierten Kiefer merkte. Zwecks Gewissensberuhigung steckte ich einen Zehneuroschein zur Betäubung der kommenden Schmerzen in seine Manteltasche.
Zu Hause angekommen, verstaute ich die Taschenlampe im Werkzeugkasten, stellte das Fahrrad in den Schuppen und packte Hose, Parka und Mütze zurück in die Truhe. Jetzt musste ich ein geeignetes Versteck für die Akten finden. Ich stopfte sie in eine Plastiktüte und schaute bei Wilpert und den Kaninchen herein. Zwischen der Rückwand der Kaninchenställe und der Stallmauer war ein Spalt von fünf Zentimetern, der ideale Aufbewahrungsort für die Unterlagen. Nach vollbrachter Arbeit schaute ich den Tieren beim Schlafen zu und entschied mich dann, es ihnen gleichzutun.
24
N ach einer viel zu kurzen Nacht erwachte ich am Mittwoch mit dem Gefühl, dass ich heute der Lösung des Falles einen entscheidenden Schritt näher kommen würde. Allerdings war mir unklar, woher ich diese Zuversicht nahm. Die Konzentration der Ermittlungen auf die Teufelsjünger war im Grunde nur ein weiterer Schuss ins Blaue. Bei genauerer Betrachtung war auch die Rolle Stegemanns in meiner Strategie ein nicht zu unterschätzender Unsicherheitsfaktor. Zwar brachte er den notwendigen Eifer mit, aber ob er über genügend Intelligenz und Abgebrühtheit verfügte, seine wahren Absichten gegenüber den Satansbrüdern zu verbergen, stand auf einem anderen Blatt. Nach reiflicher Überlegung kam ich zu dem Schluss, dass ich das Risiko eingehen musste.
Nachdem ich aufgestanden war und ausgiebig geduscht hatte, sah ich mich vor die Alternative gestellt, entweder zuerst zu frühstücken oder die Polizeiakten zu studieren. Mein Magen gewann. Ich vertilgte die übrig gebliebene Mousse und schlürfte starken Kaffee. Die nächsten zehn Minuten überlegte ich, ob die winzige Portion Pudding alles gewesen sein sollte, was ein viel geplagter Privatdetektiv als Frühstück verdiente.
Ich hatte gerade die dritte Tasse Kaffee geleert, als ich durch ein lautes Klopfen weiterer Überlegungen enthoben wurde. Kurz darauf schob sich ein bekannter Schnurrbart durch die Haustür.
»Guten Morgen.«
»Herr Reichert, was verschafft mir die Ehre Ihres frühmorgendlichen Besuches ?«
»Um es kurz zu machen: Heute Nacht wurde in die Dülmener Polizeiwache eingebrochen. Zwei Akten wurden entwendet, Barbara Rudolphs und Jens Koflers .«
»Was habe ich damit zu schaffen ?« , fragte ich
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