Schwein gehabt
Mörder. Die erste Möglichkeit hielt ich für unwahrscheinlich. Mit der zweiten Erklärung konnte ich mich mehr anfreunden. Wenn man davon ausging, dass der Mörder den Zettel beim Opfer hinterlassen hatte, konnte das zunächst einmal aus Unaufmerksamkeit geschehen sein. Vielleicht hatte es einen Kampf gegeben. Dabei war dem Angreifer der Fetzen aus der Tasche gefallen. Der Mörder war geflohen und hatte seinen Fauxpas nicht bemerkt. Man konnte die Geschichte aber auch anders auffassen. Kofler war Mitglied der obskuren Satanistengruppe. Auf einmal hatte er die Nase voll, Gräber zu schänden und Sechs-Sechs-Sechs auf Häuserwände zu schmieren. Er drohte mit Ausstieg. Sein Guru fürchtete die Aufdeckung der nächtlichen Umtriebe und schickte ihn kurzerhand in die Hölle. Dafür sprach Koflers Tätigkeit als Chefredakteur der Schülerzeitung. Mit einer Story über die Teufelssekte konnte er den großen Knüller landen. Wenn diese These der Wahrheit entsprach, stellte der Zettel eine Warnung an die anderen Satansbrüder dar.
Ich beschloss, diesen Gedanken weiterzuverfolgen. Es konnte nicht schaden, mich anlässlich des Treffens heute Abend an Andreas’ Fersen zu heften.
Als ich mein Handy zücken wollte, fiel mir wieder ein, dass Vorsicht die Mutter der Porzellankiste war. Privatdetektive — zumindest die, die verdeckt arbeiten mussten — gehörten wahrscheinlich nicht zur Top-Klientel der Handybranche.
Ich begab mich also nach Buldern und stellte fest, dass dort noch nicht die Sitte Einzug gehalten hatte, Telefonzellen ihrem ursprünglichen Verwendungszweck zu entfremden und als Objekt blinder Zerstörungswut zu missbrauchen, denn auch der Apparat neben dem Tante-Emma-Laden war intakt. Ich drehte eine Zigarette, während ich der meditativen Melancholie des Freizeichens lauschte.
»Andreas Stegemann.«
»Habe ich dich von der Toilette geholt? Das hat ja ewig gedauert .«
»Gut, dass du anrufst. Heute Abend ist es so weit. Meinst du nicht, dass unser Plan ziemlich gefährlich ist ?«
»Um in diesem Business etwas zu erreichen, muss man Risiken eingehen. Aber keine Angst. Um deine Sicherheit zu gewährleisten, werde ich dir nachfahren. Wo und wann findet das Meeting statt ?«
»Genau weiß ich das nicht. Ich habe mit Julius Koppe gesprochen. Kennst du ihn ?«
»Mehr als mir lieb ist. Was hat er mit der Sekte zu tun ?«
»Er hat früher in einer Band satanische Texte gesungen. Das war im frommen Buldern nicht so gern gesehen. Pfarrer Wilpert wollte sie aus dem Jugendkeller werfen, und der Tankstellenbesitzer hat Julius mit der Kündigung gedroht. Da hat er sich rausgeredet, von wegen, er könnte kein Englisch und hätte die Texte aus Büchern abgeschrieben. Julius gilt nicht grad als der Intelligenteste, deshalb hat man ihm geglaubt. Jetzt singt er über Asylantendiskriminierung und kehrt den Sozialen heraus.
Ich hab ihm gesagt, ich hätte von der satanistischen Vereinigung gehört und hätte großes Interesse, mal dabei zu sein. Er schien sofort Feuer und Flamme zu sein und hat mir angeboten, dass Heiner Bombeck, der Schlagzeuger in seiner Band, mich heute zu einer kleinen Zeremonie mitnehmen könnte. Um acht Uhr soll Heiner mich abholen .«
»Das passt mir ausgezeichnet. Ich werde euch hinterherfahren .«
»Mir fällt eine Zentnerlast von der Seele .«
»Bis dann.«
»Alles klar .«
Er legte auf, ich legte auf. Dabei bemerkte ich, dass ich vergessen hatte, die Zigarette anzuzünden. Ich zog das Feuerzeug aus der Hosentasche, holte das Versäumte nach und inhalierte genüsslich. Ich trat ins Freie und überlegte, womit ich die Zeit bis zum Abend totschlagen konnte. Eigentlich durfte ich mir nach dem anstrengenden Vormittag ruhig ein oder zwei Bierchen genehmigen. Ich warf einen Blick in mein Portemonnaie, um die aktuelle Finanzlage zu begutachten. Ich konnte mich nicht erinnern, die letzten Tage in verschwenderischem Luxus verbracht zu haben, dennoch tendierte meine Barschaft stark gegen null. Ganze sieben Euro vierzig warteten darauf, den Besitzer zu wechseln.
Im Geiste überschlug ich alle möglichen Geldquellen. Die Bank hatte heute Nachmittag geschlossen. Karin? Wenn ich jemals mehr als nur ihren Rücken streicheln wollte, durfte ich ihre Geduld nicht überstrapazieren. Wilpert? Selbst wenn der Papst von Buldern die Spendierhosen anhätte, würden bei einem Bittgesuch kaum mehr als fünf Euro herausspringen. Eher bediente er selber die Orgel. Blieb Rudolph. Das war im Grunde genommen eine gute
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