Schwein gehabt
keine halbherzigen Mitglieder brauchen kann. Entweder man ist eine tiefschwarze Seele oder man hat dort nichts verloren. Lügen oder Verrat würden nicht geduldet und schwer bestraft. Mein Gott, ich hab mir vor Angst fast in die Hose gemacht .«
»Was geschah weiter ?« , unterbrach ich ihn, bevor er zu heulen anfing.
»Erst mal nichts. Alle saßen nur mit gesenktem Kopf da und haben kein Wort geredet. Dann klatschte der Boss dreimal in die Hände und alle gingen nacheinander zu ihm. Sie haben sich vor ihn gekniet, seine Hand geküsst, als wär er der Papst, ihm fünfzig Euro gegeben und dafür irgendwelche Pillen gekriegt. Als jeder sein Quantum hatte, hat er mich zu sich herübergewunken . Er hat mir einen Zettel in die Hand gedrückt und mir mitgeteilt, dass Freitagnacht die Aufnahmezeremonie stattfindet. Dazu müsste ich diesen Text auswendig lernen .«
Andreas zog ein maschinenbeschriebenes Blatt Papier aus der Tasche und reichte es mir. Ich fing an zu lesen. Das typische 666-Gesülze: Ich glaube an Satan, ich hasse Gott und alle Christen und so weiter. Ich gab ihm den Wisch zurück.
»Dann hat er mir befohlen zu gehen, da ich erst ab Freitag Teil der Gruppe sein würde und an der jetzt folgenden Beschwörung nicht teilnehmen dürfte. War mir ganz Recht. Bombeck ist dageblieben. Also bin ich raus, hab gemacht, dass ich in meine normalen Klamotten komme, und durfte dann zu Fuß zurück. Dich oder deinen Wagen habe ich nicht gesehen. Du hast dich gut versteckt .«
»Gelernt ist gelernt. Du bist also direkt nach Hause gegangen ?«
»Na klar. Für den Abend hat’s mir gereicht !«
»Hervorragende Arbeit«, schmierte ich ihm Honig ums Maul. »Wann beginnt die Zeremonie ?«
»Mitternacht.«
»Viel Glück.«
»Danke, das kann ich brauchen. Jetzt muss ich aber los, ich ruf Samstag wieder an .«
Stegemann stand auf und kramte in seiner Hosentasche nach Geld. Ich bedeutete ihm, dass ich die Zeche übernehmen würde. Er bedankte sich, bildete mit den Fingern ein V und verließ das Lokal. Ich blieb sitzen und bestellte noch einen Espresso; der erste hatte mich auf den Geschmack gebracht. Nachdem ich eine Zigarette gedreht und angezündet hatte, dachte ich über die neuen Infos nach.
Alles deutete zunächst auf eine harmlose Vereinigung gelangweilter Dorfteenies hin: die Kutten, Black- Metal -Musik und das Auswendiglernen von Crowley -Texten. Überhaupt nicht ins Bild passten die fünfzig Euro, die jedes Mitglied dem Kapuzenmann gegeben hatte. Wenn man davon ausging, dass sich die Satansjünger etwa sechs- bis siebenmal im Monat trafen und dabei Pillen einwarfen, die mit Sicherheit kein Arzt verschreibt, käme für den Boss eine ganze Stange Geld zusammen, pro Treffen über fünfhundert Schleifen. Da die Herstellung synthetischer Drogen spottbillig war, blieb für den Fürsten der Dunkelheit ganz schön was hängen.
Gelangweilte Dorfjugendliche waren für ein solches Geschäft sicher eine dankbare Zielgruppe. Vielleicht waren Barbara und Jens hinter die wahren Absichten des Meisters gekommen. Er fürchtete das Versiegen seiner profitablen Geldquelle und beförderte sie ins Jenseits.
Wenn meine Vermutungen nur annähernd der Realität entsprachen, war der Sektenführer zum einen ein gerissener Hund und zum anderen gefährlich. Meine Theorie stand zwar auf wackligen Füßen, aber es konnte nicht schaden, diese Spur zu verfolgen.
Ich kippte den letzten Schluck Espresso hinunter und beschloss, heute Nacht die Scheune unter die Lupe zu nehmen. Wenn ich es geschafft hatte, in eine Polizeiwache einzubrechen, war eine leer stehende Scheune ein Kinderspiel. Ich zahlte und jettete heimwärts.
27
N achdem ich das Getier versorgt hatte, tauschte ich meine Schnüfflerkluft gegen Sportklamotten und ging eine halbe Stunde joggen. Ich wunderte mich über meine Kondition, denn bei meiner Qualmerei hatte ich mir keine zehn Minuten gegeben. Ausgepumpt und schweißverklebt machte ich fünfzig Liegestütze auf der Wiese hinter dem Haus und zwanzig Klimmzüge an der Teppichstange, beides mit reichlich Pausen zwischendurch. Dann vertrieb ich den Schweiß mit einer Dusche. Jetzt konnte ich ruhigen Gewissens die Flasche Bier köpfen, die ich vor dem Wald- und Wiesenlauf in kaltes Wasser gelegt hatte. Nachdem der Gerstensaft innerhalb von zwanzig Sekunden im Innern meines Körpers verschwunden war, schlüpfte ich in das einladend aussehende Bett und stellte den Wecker auf Mitternacht.
Ich war von mehreren hundert Leuten umringt,
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